Die Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl – Sie bewahrten den Deutschen einen kleinen Rest Würde in dunklen Zeiten

Text: Kathrin Stärk, Fotos: Heilbronner Stimme/Torsten Büchele, Privat

»Auf den Spuren der Weißen Rose«

Die Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl bewahrten den Deutschen einen kleinen Rest Würde in dunklen Zeiten

Die Geschwister Scholl gelten als Köpfe der christlich motivierten Widerstandsgruppe »Weiße Rose«, die in München mit Flugblättern gegen das Hitler-Regime protestierten. Sie wurden am 22. Februar 1943 hingerichtet. In Forchtenberg leben sie weiter: An vielen Ecken des 5.000-Einwohner-Städtchens gibt es Erinnerungen an die Geschwister Scholl. Die Wurzeln der von Hans und Sophie Scholl und ihrer Familie liegen jedoch in Hohenlohe und im Mainhardter Wald.

Seit 1990 beschäftigt sich Renate S. Deck aus Forchtenberg intensiv mit diesen Wurzeln (https://www.gedenkstaetten-bw.de/fileadmin/gedenkstaetten/pdf/gedenkstaetten/forchtenberg_weisse_rose_ipunkt.pdf). Aus Zeitzeugengesprächen, Recherchen, Begegnungen und Gesprächen mit Familienangehörigen zeichnete sie ein Familiensoziogramm von den Großeltern bis zu Hans und Sophie Scholl. Für ihr Ehrenamt erhielt sie 2011 die Ehrennadel für Heimatpflege und 2015 das Bundesverdienstkreuz am Bande, das sie nicht für sich beansprucht, sondern der Erinnerung an »diese jungen Menschen und ihren Mut« widmet – gegen das Vergessen.

Hans Scholl wird am 22. September 1918 als Sohn von Schultheiß Robert Scholl im heutigen Crailsheimer Ortsteil Ingersheim geboren. Zwei Jahre später zieht die Familie nach Forchtenberg. Das Weinbauernstädtchen mit seiner mittelalterlichen Altstadt liegt malerisch am Kocher, am linken Ufer erhebt sich die Ruine Forchtenberg. Die Gassen mit ihren Fachwerkbauten werden von einer Stadtmauer mit mehreren Türmen umgrenzt. Im historischen Stadtkern befinden sich u. a. die um 1300 erbaute und 1587 erneuerte Stadtkirche, das Rathaus, das Backhaus mit der Turmuhr Forchtenberg und das um 1470 erbaute Kernhaus. Seit 2006 führt auch der Hans-und-Sophie-Scholl-Pfad durch Forchtenberg, der von weißen Rosen gesäumt wird.

Erinnerungsort: Das Denkmal in Form von Flugblättern am Geschwister-Scholl-Platz vor der Universität

In den 1920er-Jahren hieß das Örtchen im Volksmund noch »der Balkan«. Seit 1919 war Robert Scholl hier Schultheiß und verpasste Forchtenberg den Anschluss an die Außenwelt – an die Kochertal-Bahnstrecke und ließ eine Kanalisation und ein großes Lagerhaus bauen. Außerdem versuchte er, Arbeitsplätze im Ort zu schaffen. Doch als liberaler Politiker in einem konservativen Umfeld wird er bei der Bürgermeisterwahl 1929 nicht wiedergewählt und somit arbeitslos.

Bevor die Familie Forchtenberg verlassen musste, verlebten seine Töchter und Söhne unbeschwerte Kindertage, an die sie sich später immer wieder erinnern sollten. Sophie, das Mädchen mit dem Pagenschnitt auf frühen Klassenfotos, kehrte nach dem unfreiwilligen Wegzug aus der geliebten Heimat nie mehr zurück. Sie hatte die Abwahl des Vaters als Bürgermeister von Forchtenberg als einschneidendes und schmerzliches Erlebnis empfunden. In Forchtenberg lag so nicht nur ihre Naturverbundenheit begründet, sondern auch ihr früh entwickeltes Gefühl für Recht und Unrecht.

Im heutigen Rathaus erblickt Sophie am 9. Mai 1921 das Licht der Welt und am 10. Juli in der Michaelskirche getauft. Im Taufregister steht Lina Sofie. Die Kurzform von Magdalena geht auf die Mutter zurück, die eine fromme Frau war. Nachdem Robert Scholl nicht wiedergewählt wird, verlässt die Familie 1930 Forchtenberg und zieht nach einem Intermezzo in Ludwigsburg 1932 nach Ulm um. Die Familie lebt von 1933 an in einem großbürgerlichen Jugendstilhaus in der Ulmer Olgastraße, damals Adolf-Hitler-Ring genannt.

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Dieser Film handelt von Hans und Sophie Scholl, zwei jungen Deutschen, die sich dazu entschlossen, gegen die Herrschaft der Nazis Widerstand zu leisten.

Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl sind mehrere Bücher erschienen, die die junge Frau in einem neuen Licht erscheinen lassen – ohne sie zu glorifizieren. Der Hamburger Pastor und Historiker Robert Zoske hat eine neue Biografie über die NS-Widerstandskämpferin veröffentlicht, in der er vor allem Dokumente zu realen Begegnungen ausgewertet hat, um ein realistisches Bild von Sophie Scholl zu zeigen.

1952 hatte Sophies große Schwester Inge Aicher-Scholl ihr Buch »Die Weiße Rose« veröffentlicht. Zoske bemängelt jedoch, dass sie viele der geschilderten Ereignisse nicht selbst erlebt habe und die Person Sophies ikonisieren würde. Mit »Sophie Scholl: Es reut mich nichts. Porträt einer Widerständigen« (https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/sophie-scholl-es-reut-mich-nichts-9783549100189.html) will er sie ein wenig von »den Girlanden, die um sie geflochten sind, befreien«. 

Die Autorin und Malerin Simone Frieling geht in »Sophie Scholl – Aufstand des Gewissens« (https://www.ebersbach-simon.de/buecher/sophie-scholl-aufstand-des-gewissens) der Frage nach, woher die Kraft kam, die Sophie Scholl zur Widerstandskämpferin werden ließ. Dazu habe sie in den vielen anderen Büchern über die Widerstandskämpferin, nichts explizit gelesen, sagt Frieling. Sophie Scholl habe durch das Elternhaus, die Literatur und in der Natur die Kraft zum Widerstand in der Weißen Rose gefunden, vermutet sie.

Gednekkultur »Ost«: Auch in der DDR fanden sich die Geschwister Scholl auf einem Postwertzeichen wieder.

»Wie bei anderen großen Frauen, wie Rosa Luxemburg und Hannah Ahrendt, spielt das Elternhaus eine ganz große Rolle: Dass es um geliebte und geachtete Töchter geht, die einen lebenslangen Rückhalt durch diese Liebe und Achtung haben und die deswegen eben bestimmte Kräfte haben, die andere vielleicht so nicht haben«, sagt Frieling im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Kultur (https://www.deutschlandfunkkultur.de/neues-buch-ueber-sophie-scholl-die-kraft-zum-widerstand.1270.de.html?dram:article_id=491124).

1940 beginnt Sophie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Wenig später verpflichten sie die Nationalsozialisten zum Arbeits- und Kriegshilfsdienst. 1942 fängt Sophie an, in München Biologie und Philosophie zu studieren. Das letzte Jahr ihres Lebens ist gut erforscht, vielfach verfilmt und beschrieben worden: Zusammen mit ihrem Bruder Hans und anderen Studenten setzt sich Sophie in der Widerstandsgruppe Weiße Rose gegen die Nationalsozialisten ein.

Die Weiße Rose und die Geschwister Scholl, stehen heute stellvertretend für den deutschen Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime und gelten als Symbol für beispielhafte Zivilcourage.

Dabei waren sie – ganz gegen den Willen des Vaters – zunächst begeisterte Mitglieder in der Hitlerjugend. Doch schnell kamen sie in Konflikt mit dem totalitären System und wurden für einige Zeit sogar inhaftiert. Wann genau die Geschwister Scholl sich vom Nationalsozialismus abwandten, ist nicht zu sagen. Neuere Forschungen zeigen, dass die Entwicklung zu Widerstandskämpfern keineswegs gradlinig verlief. (https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/geschichte/geschwister-scholl-106.html)

Nach dem Abitur studierte Hans Scholl Medizin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Unter dem Einfluss katholischer Gegner des NS-Regimes wie Carl Muth und Theodor Haeckel gründete er im Sommer 1942 mit Alexander Schmorell die Widerstandsgruppe. Zusammen verfassten, druckten und verteilten sie in kurzer Folge vier Flugblätter. In aufrüttelnder Sprache prangerten sie die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes an.

Die als Widerstandskämpfer hingerichteten Geschwister Scholl haben ihre Wurzeln in Hohenlohe. An sie erinnert eine Tafel und ein Zaunprojekt am großväterlilchen Haus in Steinbrück bei Geißelhardt.

Nach der Rückkehr von Hans Scholl und Alexander Schmorell von einem Einsatz an der Ostfront im November 1942 schlossen sich Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst und Professor Kurt Huber der Weißen Rose an. Die Erlebnisse an der Ostfront, die Massenermordungen und das Elend des Warschauer Ghettos hatten sie noch bestärkt. Es folgten zwei weitere Flugblätter, die in einem größeren Umfang verbreitet wurden. Das sechste und letzte Flugblatt verteilte Sophie am 18. Februar 1943 zusammen mit ihrem Bruder an der Universität. In einer waghalsigen Aktion wirft sie einen Stapel Papiere von einer Brüstung in den Hof. Die Geschwister werden von einem Hausmeister beobachtet und verraten.

Nach ihrer Verhaftung übernehmen Gestapo-Beamte die Verhöre. Selbst in dieser verzweifelten Lage beweisen Hans und Sophie Scholl Mut: Sie versuchen, alle Schuld auf sich zu nehmen. Doch Hans Scholl trägt einen handschriftlichen Entwurf des siebten Flugblatts von Christoph Probst bei sich. Einen Tag später wird er von der Gestapo in Innsbruck verhaftet. Sophie Scholl sagt den Beamten ins Gesicht, dass sie »mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben« wolle. Die Beweislast war erdrückend.

Nach einem dreitägigen Verhör verurteilt der so genannte Volksgerichtshof unter seinem Vorsitzenden Roland Freisler »wegen landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung« die drei Widerstandskämpfer zum Tode. Gefängnisbeamte berichten respektvoll über ihren furchtlosen Gang zur Hinrichtung. Sie werden noch am gleichen Tag vollstreckt. Hans Scholls letzte Worte waren: «Es lebe die Freiheit!«

Gedenkkultur »West«: Die BRD ehrte die »Weiße Rose« 1983 mit einer Briefmarke.

In Forchtenberg (https://www.forchtenberg.de/unsere-stadt/geschichtliches/weisse-rose/allgemein) kann heute der Hans-und-Sophie-Scholl-Pfad jederzeit auch ohne Stadtführung besichtigt werden. Ein Leit faden liegt vor Ort an mehreren Stellen aus und das Buch »Lesespaziergang am Hans und Sophie Scholl Pfad« von Renate S. Deck kann ausgeliehen werden, ebenso »Spuren einer Freundschaft – Sophie Scholl und Lisa Remppis in Langenburg. 

Im ehemaligen Stadttor von Forchtenberg befindet sich im Atelier der Künstlerin Renate S. Deck der »Weiße Rose i-punkt«. Seit 2004 trägt er dazu bei, die Erinnerung an Sophie Scholl wach zu halten. Ein Zitat von ihr ist sinnbildlich für ihre widerständige Haltung: »Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen.«

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