Mit Visionen nach vorne: Mit einer klugen Mischung aus Technologie, Offenheit und Mut lässt sich gerade in vermeintlich schwierigen Zeiten viel erreichen. Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten beim fünften TUM Talk am Bildungscampus Heilbronn, wie es gelingt, zuversichtlich voranzukommen – aller Krisen zum Trotz.
Von: TUM Campus Heilbronn, Foto: Andreas Henn für DIE ZEIT
Ob Kriege, Krisen oder Diskussionen über den Standort Deutschland: Aktuell fällt es leicht, pessimistische Aussagen oder Prognosen zu platzieren. Doch insgeheim ist vielen Verantwortungsträgern in Politik und Wirtschaft bewusst, dass diese Litaneien nicht dazu führen, dass sich die Dinge zum Guten wenden. „Die Welt gehört denen, die gestalten wollen“, sagte Prof. Dr. Thomas F. Hofmann, Präsident der Technischen Universität München (TUM), zum Einstieg in den mittlerweile fünften TUM Talk auf dem Bildungscampus Heilbronn.
Ganz bewusst setzte die Podiumsdiskussion daher einen Kontrapunkt – und sammelte Strategien und Stimmungen für einen zuversichtlichen Blick voraus. Die Gemeinsamkeit der geladenen Gäste aus Wissenschaft und Wirtschaft: „Sie alle sind davon überzeugt: Die Zukunft wartet nicht auf uns“, sagt Prof. Dr. Helmut Krcmar, bis Ende September Beauftragter des Präsidenten für den TUM Campus Heilbronn und Moderator der Gesprächsrunde.
Der innere Kompass steht auf Zukunft
Auf dem Podium herrschte dabei die Überzeugung vor, dass der innere Kompass zentral ist: „Man muss Optimist sein“, sagte Christine Steger, geschäftsführende Gesellschafterin des Kosmetikherstellers Mann + Schröder, „man wird keiner, wenn man diese Einstellung nicht in sich trägt.“ Dabei geht es keineswegs darum, konkrete Probleme auszublenden. Wichtig ist die Überzeugung, auch aus schwierigen Phasen das Beste herausholen zu können. Bei dem Familienunternehmen aus dem Landkreis Heilbronn sorgte beispielsweise der Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit trotz vieler Veränderungen für eine „Klammer, die unfassbar viel bewegt hat“, sagte Steger.
Die Gewissheit, dass alles, was existiere, noch besser gemacht werden könne – „das treibt uns als Wissenschaftler an und das geht Unternehmen genauso“, sagte Prof. Dr. Daniel Cremers, Inhaber des Lehrstuhls für Computer Vision und Künstliche Intelligenz an der TU München. Diese Blickrichtung ist elementar für die Unternehmensführung, aber auch für alle anderen Ebenen im Betrieb: „Wir müssen dafür sorgen, dass Ambition eine Einstellungsvoraussetzung wird“, sagte beispielsweise Dr. Gerald Karch, Vorstandschef des Schwerlastlogistikspezialisten TII Group. Der familiengeführte Mittelstand habe dabei Vorteile, wenn es um rasche und entschlossene Schritte in Richtung Zukunft geht: „Wenn eine Unternehmerfamilie hinter eine Idee steht, dann kann sie die auch durchziehen“, sagte Karch.
KI als Zukunftshelfer?
Denn der Vielzahl von Krisen stehen Unternehmen heute auch eine Vielzahl an Werkzeugen zur Verfügung, mit denen sich die Zukunft gestalten lässt. Künstliche Intelligenz (KI) kommt nach und nach im Mittelstand an. Häufig arbeitet sich die Technologie dabei von repetitiven Randprozessen langsam in Richtung des Kerngeschäfts vor. Wissenschaftler Cremers, der auch einige erfolgreiche Start-ups mitgegründet hat, legte in seiner Keynote dar, wie rasch die technologischen Fortschritte etwa im Bereich Bilderkennung waren.
Zwar gilt es trotzdem einige Themen – etwa rund um die Regulatorik oder Haftungsfragen bei autonom arbeitenden Algorithmen – abzuwarten. Zu viel Zögern kann jedoch auf dem Weg in die Zukunft schaden: „Einiges an Nebel wird sich bald lichten, aber wir haben nicht die Zeit zu warten, bis der Nebel komplett verschwunden ist“, sagte Nicole Büttner, Investorin und Co-Gründerin der auf KI spezialisierten IT-Firma Merantix Momentum.
Machen statt Mahnen
In diesem Jahr bildete der traditionelle TUM Talk den Abschluss für die ganztägige Konferenz „Rethink Mittelstand“. Zu der hatte der TUM Campus Heilbronn gemeinsam mit dem ZEIT-Verlag eingeladen. Über 300 Vertreterinnen und Vertreter von mittelständischen Unternehmen aus der Region Heilbronn-Franken und deutschlandweit, von Start-ups, Konzernen sowie der TU München diskutierten unter anderem, wie sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz das eigene Geschäftsmodell absichern oder verbessern lässt.
Verbunden waren die vorgestellten Lösungswege häufig mit dem Appell, aufwendige und eventuell unbequeme Transformationen nicht zu lange zu verschieben: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, attestierte Thomas Saueressig, Vorstand für Customer Services und Delivery beim Softwarekonzern SAP.
Gerade dem Mittelstand hilft dabei eine enge Vernetzung, um die Kräfte für umfangreiche Veränderungen oder technologische Entwicklungen zu bündeln. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Innovationspark Künstliche Intelligenz (IPAI), der seit zwei Jahren in Heilbronn heranwächst. „Wenn wir unsere Stärken verbinden mit Kooperationen und gemeinsamen Innovationen, dann können wir dem ganz viel entgegenstellen“, sagte IPAI-Geschäftsführer Moritz Gräter.
Die Stärke des gemeinsamen Austausches betonte TUM-Präsident Prof. Dr. Thomas F. Hofmann zum Abschluss des TUM Talks. Gemeinsam mit Prof. Dr. Ali Sunyaev, seit Oktober als Vizepräsident der TUM zuständig für den Campus Heilbronn, rief er zum intensiven Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft auf, der nach der Podiumsdiskussion intensiv genutzt wurde: „Die TU München ist keine Cloud, da stecken wahre Menschen dahinter“, so Hofmann, „kommen Sie mit uns ins Gespräch.“