Von Robert Mucha, Foto: DHBW Heilbronn
Sie spricht sechs Sprachen, schreibt Romane und programmiert Software: Die 25-jährige Ukrainerin Anastasiia Dolynets verkörpert eine neue Generation von Migrantinnen, die zwischen den Welten wandeln. Für ihr außergewöhnliches Engagement erhält die DHBW-Absolventin nun den DAAD-Preis 2024.
Es gibt Menschen, die zwischen allen Stühlen sitzen und genau dort ihren Platz finden. Anastasiia Dolynets ist so jemand. Die 25-jährige Ukrainerin schreibt morgens Programmcode, mittags Romane und organisiert abends Hilfstransporte in ihre Heimat.
„In der Ukraine wäre es für mich unvorstellbar gewesen, ein eigenes Buch zu veröffentlichen“, sagt sie im Interview mit der DHBW. Zwei hat sie bereits geschrieben, auf Deutsch: „Als ich Monet im Wald traf“ und „Amaia bedeutet glückliches Ende“. Das dritte ist in Arbeit, es wird um Nostalgie gehen, um Kindheitserinnerungen und den Tod eines Vaters.
Der Weg nach Heilbronn war nicht vorgezeichnet. In Kyjiw hatte sie bereits einen Bachelor in Germanistik und einen Master in Journalismus in der Tasche. „Seit meinem Germanistik-Studium war es mein Traum, in Deutschland zu studieren“, erzählt sie. Dass es ausgerechnet Wirtschaftsinformatik werden würde, war nicht geplant.
Der Kulturschock kam auf leisen Sohlen. „In Deutschland halten sich alle an die Regeln und der Alltag läuft nach einem bestimmten Muster ab“, beobachtet sie. „Diese Systematik und Ordnung haben mir in der Heimat gefehlt.“ Vielleicht ist es kein Zufall, dass sie sich ausgerechnet dem Programmieren zuwendet – der strukturiertesten aller Sprachen.
Das duale Studium wurde zur Offenbarung. „Der ständige Praxisbezug hat mich positiv überrascht“, sagt sie. „In meiner Heimat ist diese enge Verbindung von Theorie und Praxis eher selten.“ Nun baut sie sich eine Karriere als Anwendungsentwicklerin auf.
Doch während andere in ihrer Position nur an die Karriere denken, bleibt sie ihrer sozialen Verantwortung treu. Während des Studiums organisierte sie Hilfstransporte in die Ukraine, begleitete früher schon Kinder aus sozial benachteiligten Familien nach Deutschland.
Das Preisgeld des DAAD will sie teilen – zwischen ihrer Familie in der Ukraine und der Vermarktung ihres neuen Romans. Es ist diese Verbindung von digitaler und analoger Welt, von Programmcode und Poesie, die sie auszeichnet.
„Ich möchte gerne meine Liebe zu Sprachen ausbauen“, sagt sie – und meint damit sowohl Programmier- als auch Fremdsprachen. Vielleicht ist das der modernste Weg, Brücken zu bauen: Mit Algorithmen und Literatur. Oder wie es im Titel ihres zweiten Buches heißt: Amaia bedeutet glückliches Ende.