Zukunft braucht Wohnraum: Die Wissensstadt wächst über sich hinaus

Von Robert Mucha, Foto: Ideogram/Robert Mucha

Der Bildungscampus West und der Innovationspark für Künstliche Intelligenz ziehen Talente und Fachkräfte an. Doch wo sollen all die klugen Köpfe wohnen? Die Stadt Heilbronn und ihre Stadtsiedlung gehen neue Wege im Wohnungsbau – von der interkommunalen Allianz bis zum seriellen Bauen.

„Heilbronn befindet sich in einem historischen Transformationsprozess“, sagt Oberbürgermeister Harry Mergel gegenüber der Heilbronner Stimme. Es ist ein Satz, der Gewicht hat. Nach Wiederaufbau und Wirtschaftswunder erlebt die Stadt am Neckar laut Mergel „die wichtigste Phase der Nachkriegszeit“ – den Weg von der Industrie- zur Wissensstadt.

Die Zahlen geben ihm recht: Der Bildungscampus expandiert, die TUM baut aus, das Fraunhofer IAO forscht an kognitiven Dienstleistungssystemen, der Innovationspark Artificial Intelligence (Ipai) nimmt Gestalt an. Und das alles zieht Menschen an. Viele Menschen. Das stellt die Stadt vor Herausforderungen.

„Wir freuen uns über diese Entwicklung“, betont Mergel im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. Doch neben Verkehrserschließung, Schulen und Kindergärten müsse die Stadt vor allem auch „genügend Wohnraum zur Verfügung stellen, um den zu erwartenden Zuwachs an Einwohnern bewältigen zu können.“

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadtsiedlung steht dabei an vorderster Front. Laut Geschäftsführer Dominik Buchta befinden sich mittlerweile gut 4300 Wohnungen mit 10.000 bis 12.000 Mietern im Bestand des Unternehmens. „Damit wohnt knapp jeder zehnte Heilbronner in einer Wohnung der Stadtsiedlung“, erklärt er der Heilbronner Stimme.

Im vergangenen Jahr stellte die Stadtsiedlung 109 Wohnungen fertig. Und die Expansion geht weiter: In den kommenden fünf Jahren soll der soziale Wohnungsbau im Mittelpunkt stehen. 400 Wohnungen sind derzeit im Bau und in der Planung. Bis 2030 rechnet das Unternehmen mit weiteren 240 fertiggestellten Wohneinheiten.

Bezahlbarer Wohnraum bleibt das Ziel. Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei der Stadtsiedlung liegt bei 7,45 Euro pro Quadratmeter – ein Wert, der bei Neubauten angesichts gestiegener Baupreise und dauerhaft hohem Zinsniveau kaum noch zu halten ist. Um trotzdem handlungsfähig zu bleiben, erhöht die Stadt die Eigenkapitalausstattung ihres Tochterunternehmens um 13 Millionen Euro.

Doch selbst mit dieser Finanzspritze stößt Heilbronn an seine Grenzen. „Wir tun, was wir können“, sagt Mergel der Heilbronner Stimme. „Aber wir sind darauf angewiesen, dass auch im Umland Wohnungen gebaut werden. Alleine schaffen wir das nicht.“ Der Oberbürgermeister plant deshalb, eine Allianz für interkommunale Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen.

Parallel dazu betritt die Stadtsiedlung technologisches Neuland und steigt in den seriellen Wohnungsbau ein. Gemeinsam mit der Stadt Stuttgart bildet sie eine Einkaufsgemeinschaft für sogenannte „Würfel“ – in einem Werk fertiggestellte Module, die vor Ort zusammengesetzt werden. 18 dieser Einheiten haben die beiden Großstädte bestellt, acht davon gehen nach Heilbronn.

„Das ist eine unserer Antworten auf die gestiegenen Baupreise und die anhaltend hohen Zinsen“, erklärt Buchta der Heilbronner Stimme. Mit Plattenbauten sei serielles Bauen aber nicht zu vergleichen, betonen er und Mergel unisono.

Die Wissensstadt Heilbronn steht vor einer Gleichung mit vielen Unbekannten: Wie viele Menschen werden durch den Bildungscampus, die Hochschule Heilbronn, die DHBW, das Ipai und all die anderen Institutionen in die Stadt kommen? Wo werden die Studierenden der 42 Heilbronn, die Forschenden der TUM und die Startups der Campus Founders wohnen?

Eine Herausforderung, der sich die Stadt stellen muss, wenn sie ihren Wandel zur Wissensstadt erfolgreich gestalten will. Denn Wissen braucht Menschen – und Menschen brauchen Wohnraum.

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