Zufälle mit Ansage: Wie Heilbronn das coolste Startup-Festival Deutschlands feiert

Von Robert Mucha, Foto: Campus Founders

Was passiert, wenn ein schwarzes Schaf ins virtuelle Lagerfeuer springt? Bei der Heilbronn Slush’D treffen Barber auf Banker, streicheln Investoren Ziegen und leuchtet eine gigantische Kuppel in den Nachthimmel. Ein Festival der schönen Zufälle – und der großen Visionen.

Die Szene könnte aus einem Science-Fiction-Film stammen: Eine riesige Kuppel erhebt sich über der Heilbronner Theresienwiese, leuchtet von innen heraus wie ein gestrandetes Raumschiff. „The Dome“ nennen die Campus Founders das hier, und wer durch den Eingang tritt, landet tatsächlich in einer anderen Welt. Tausend Menschen sitzen im Halbdunkel, während über ihnen ein gewaltiges Auge aus Licht pulsiert. Das Startup-Festival Slush’d ist in der Stadt gelandet.

„Manchmal muss man dem Zufall eine Chance geben“, sagt Christian Busch auf der Bühne. Der Bestsellerautor spricht über Serendipity, diese Kunst, aus ungeplanten Momenten Gold zu machen. Er könnte damit auch das Festival selbst meinen. Denn was hier passiert, folgt keinem bekannten Drehbuch.

Da ist zum Beispiel der Barber Shop „Sweeney Todd“, der zwischen KI-Startups und Venture-Capital-Ständen einen Salon aufgebaut hat. Warum lässt man sich auf einem Startup-Event die Haare schneiden? Barber Moritz Wieler, der gerade einem Investor den Nacken ausrasiert. „Die meisten reagieren genauso überrascht“, sagt er der Heilbronner Stimme und grinst, „und finden es gerade deshalb so cool.“ Zwanzig Kunden in den ersten zwei Stunden – das nennt man wohl Product-Market-Fit.

Ein paar Meter weiter, draußen vor den Hallen, steht ein Gehege. Darin: echte Schafe. Lebendige schwarze Wollknäule zwischen all den Tech-Visionären? „Das sind unsere Fluffy Founders“, sagt Oliver Hanisch, Chef der Campus Founders und Mastermind hinter dem Event. Er meint das ernst. Innovation brauche auch Momente der Überraschung, des Unerwarteten.

Die Campus Founders haben das Festival aus Helsinki nach Heilbronn geholt, als ersten deutschen Ableger. Eine mutige Entscheidung. Heilbronn ist längst kein Überraschungspaket in der deutschen Startup-Szene. Heilbronns Ökosystem hat sich etabliert. Wo früher vor allem über Salz und Handel gesprochen wurde, geht es heute um KI und Innovation.

Auf der Bühne präsentiert gerade Lisa Gradow ihre Vision. Die 26-jährige Gründerin aus Beilstein hat mit ihrem Startup „Fides“ die Automatisierung von Unternehmensprozessen revolutioniert. „Man braucht keine Wolkenkratzer, um groß zu denken“, sagt sie. Der Saal applaudiert. Wieder so ein ungeplanter Moment, der perfekt sitzt.

Zwischen den Expo-Hallen treffen wir Tillman Schulz, bekannt aus „Die Höhle der Löwen“. Er ist extra angereist, um Teil dieser Bewegung zu sein. „Was hier passiert, ist Wahnsinn“, staunt er gegenüber der lokalen Presse. Meint damit nicht nur die Lichtshows und die Afterparty, sondern vor allem die Verbindung von Tradition und Innovation. Heilbronner Mittelstand trifft Silicon Valley-Spirit.

Am Abend dann die große Award Show. 100.000 Euro Investment für tabularis.ai, der Female Founders Award geht an AICU. Über der Bühne tanzen Lichter, fliegen virtuelle Geldscheine. Es ist dieser Moment, in dem die Grenzen verschwimmen – zwischen Festival und Konferenz, zwischen Spiel und Ernst.

Als die Nacht über die Theresienwiese sinkt, leuchtet die Kuppel noch heller. Drinnen feiern sie jetzt, Hoodie neben Anzug, Sneaker neben Business-Schuh. Die Musik spielt schon, während nebenan noch die letzten Gespräche zwischen Startups und potenziellen Investoren laufen. Die Ziegen sind längst im Stall, aber ihr Geist des Andersseins schwebt noch über dem Gelände.

„Serendipity“, hatte Christian Busch am Morgen gesagt, „ist die Kunst, dem Zufall eine Bühne zu geben.“ Heilbronn hat dieser Kunst einen ganzen Tag gewidmet. Und dabei nebenbei bewiesen, dass Innovation nicht zwangsläufig in Berlin oder München stattfinden muss. Manchmal braucht es nur eine leuchtende Kuppel an einem grauen Oktobertag. Und ein paar Ziegen, die niemand erwartet hat.

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