Von Robert Mucha, Foto: Heilbronner Hochschulen
Ein Abend im Campus Garden, 75 Gäste, 18 junge Menschen, die ihr Leben zwischen Trainingszeiten und Vorlesungsplänen aufteilen. Heilbronn hat seine ersten Spitzensport-Stipendiaten gekürt – und zeigt dabei einmal mehr, dass die Stadt nicht nur bei KI und Bildung neue Wege geht, sondern auch beim Spagat zwischen sportlicher Höchstleistung und akademischer Exzellenz.
Es ist ein warmer Maiabend im Campus Garden, jenem Restaurant auf dem Heilbronner Bildungscampus, das architektonisch wie eine moderne Interpretation eines Wintergartens wirkt. Durch die großen Glasfronten fällt das Licht der untergehenden Sonne auf 75 Menschen, die sich zu einem besonderen Anlass versammelt haben: der ersten Urkundenübergabe des Spitzensport-Stipendiums der Heilbronner Hochschulen.
Am Kopftisch sitzt Klaus Greinert, ein Mann, der bereits 2009 eine Idee hatte, die vielen damals utopisch erschien: Spitzensportler und Studierende müssen sich nicht zwischen Wettkampf und Wissenschaft entscheiden. Heute, 16 Jahre später, schaut er zufrieden auf 18 junge Menschen, die das lebende Beispiel für seine Vision sind.
„Es ist für mich eine große Freude, dass im ersten Anlauf in Heilbronn direkt 18 junge Damen und Herren dabei sind“, sagt Greinert, der gemeinsam mit Sarah Seidl die Geschäftsführung des Stipendiums innehat. Seine Stimme trägt jene Mischung aus Stolz und Pragmatismus, die man bei Menschen findet, die eine Idee über Jahre zum Leben erweckt haben.
Seidl ergänzt: „Von der ersten Idee im September 2023 haben wir nicht mal zwei Jahre gebraucht, dass der erste Jahrgang hier steht.“ Es ist ein Tempo, das für deutsche Verhältnisse bemerkenswert ist – und das zeigt, wie ernst Heilbronn seine Transformation zur Bildungsstadt nimmt.
Die 18 Stipendiaten repräsentieren ein faszinierendes Spektrum: 13 verschiedene olympische und nicht-olympische Sportarten, von Boxen über American Football bis hin zu Faustball und Rennradfahren. Es ist eine Vielfalt, die selbst Professor Boris Kühnle, Direktor des DHBW Center for Advanced Studies, beeindruckt: „Ich bin tief beeindruckt von der Bandbreite hier.“
Zwei Masterstudierende aus seinem Haus sind unter den Geförderten, was Kühnle besonders freut. Mit einem Augenzwinkern bemerkt er: „Man spreche ja immer vom Dualen Studium, dabei sei das Leben doch noch viel komplexer. Manche von Ihnen, das lässt sich nicht vermeiden, haben auch ein Privatleben.“ Das Gelächter im Publikum zeigt, dass er einen Nerv getroffen hat.
Kühnle spricht vom „magischen Dreieck aus Beruf, Studium und Privatleben“, in dem sich die Studierenden des DHBW CAS bewegen. Die Spitzensportler mit ihrer erheblichen Zusatzbelastung aus Training und Wettkämpfen leisten noch mehr: „Mit dem Spitzensport machen sie die Raute komplett.“
Am anderen Ende des Raums sitzt Jan Niklas Goldhammer, 24 Jahre, Masterstudent in Executive Engineering und Kaderathlet in der 1. Bundesliga im Judo in der Gewichtsklasse 100 Kilo. Wenn er von seinem Alltag erzählt, klingt es wie die Beschreibung eines perfekt choreografierten Balletts: straffe Wochenpläne mit klar definierten Zeitfenstern für Arbeit, Hochschule und Training beim JSV Speyer.
„Selbstorganisation und Planung, zusammen mit wohlwollenden Kollegen und Profs“, fasst Goldhammer sein Geheimrezept zusammen. Das Umfeld, dazu gehöre auch die Unterstützung in der Familie, sei das A und O in der Bewältigung des Alltags zwischen Studium, Sport und Beruf.
Ein paar Plätze weiter sitzt Nicolas Vogt, Masterstudent in Sales and Negotiation und Kaderathlet in der 1. Bundesliga für Hallenhockey. Sein Sport läuft in Deutschland oft noch unter dem Radar, wie er selbst zugibt: „Hockey ist nicht so bekannt, wie es der Sport verdient hätte.“ Die Fahrten zu Turnieren mit den HTC Stuttgarter Kickers zahlt er komplett selbst – eine finanzielle Belastung, die das Stipendium zumindest teilweise abfedern kann.
Vom Spitzensport-Stipendium erhofft er sich vor allem Kontakte und ein Netzwerk, um perspektivisch auch im Feldhockey auf Bundesliga-Niveau spielen zu können. Es ist ein pragmatischer Ansatz: Sich weiterzuentwickeln, sportlich und beruflich, als wichtiges Ziel.
Die Förderung selbst ist zunächst auf drei Semester angelegt und umfasst sowohl individuelle organisatorische als auch finanzielle Unterstützung – etwa durch Tutorien zur Prüfungsvorbereitung und einen monatlichen finanziellen Zuschuss zum Lebensunterhalt in Höhe von bis zu 200 Euro. Dazu steht den Stipendiaten Jan Willner als Spitzensportbeauftragter der Heilbronner Hochschulen als direkter Ansprechpartner zur Verfügung.
Michael Nowizki, Deutscher U21-Vizemeister im Karate und Perspektivkader-Athlet des Deutschen Karate-Verbands, bringt die Herausforderung auf den Punkt: „Im ersten Semester habe ich gemerkt, dass in Kombination mit den Trainingseinheiten in Ludwigsburg, den Wettkämpfen und den Maßnahmen mit dem Nationalkader sowohl zeitliche als auch finanzielle Herausforderungen entstehen.“
Am TUM Campus Heilbronn sind drei Studierende unter den Stipendiaten. Ramona Betz, Information Engineering-Studentin und Tischtennisspielerin, die im letzten Jahr an der Europameisterschaft teilgenommen hat, sagt: „Das Stipendium ist eine sehr wichtige und tolle Sache. Es ist schwierig, das Studium und den Alltag als Leistungssportler zu koordinieren.“
Felix Nack, Ruderer und Student für Management & Digital Technology, sieht in dem Stipendium nicht nur praktische Hilfe, sondern auch eine Wertschätzung: „Es ist auch eine Wertschätzung des hohen Aufwands, den wir als Leistungssportler leisten und ein starkes Signal nach außen.“
Dr. Sarah Schwab-Jung, Leiterin der Geschäftsstelle des TUM Campus Heilbronn, zieht interessante Parallelen: „Sowohl im Spitzensport als auch in der Spitzenforschung geht es nicht nur um Leistung und Ausdauer, sondern auch um die Bereitschaft, immer wieder neue innovative Wege zu gehen.“
Was an diesem Abend im Campus Garden gefeiert wird, ist mehr als nur die Vergabe von Stipendien. Es ist ein weiterer Baustein in Heilbronns Selbstverständnis als Stadt, die Exzellenz in verschiedenen Bereichen fördert und dabei neue Wege geht. Eine Stadt, die erkannt hat, dass Spitzenleistungen – ob im Labor oder auf der Sportmatte – ähnliche Voraussetzungen brauchen: Unterstützung, Verständnis und die Bereitschaft, unkonventionelle Lösungen zu finden.
Die nächste Bewerbungsrunde startet bereits am 15. Mai 2025. Larissa Schilde und Sarah Seidl, beide Gesamtkoordinatorinnen des Stipendiums, ziehen ein positives Fazit: „Die ersten Rückmeldungen der Sportlerinnen und Sportler sind durchweg positiv – und es haben sich bereits weitere Interessierte für den nächsten Jahrgang gemeldet.“
Als der Abend ausklingt und die Stipendiaten ihre Urkunden in den Händen halten, wird deutlich: Heilbronn schreibt nicht nur in Sachen KI und Wissenschaft Geschichte, sondern auch in der Frage, wie sich Spitzenleistung und Bildung miteinander verbinden lassen. Eine Geschichte von jungen Menschen, die beweisen, dass man sich nicht zwischen Träumen entscheiden muss – man kann sie parallel leben.