Die Energiepauschale für Studierende wurde immer noch nicht ausgezahlt. Warum eigentlich? Der Studierendenpräsident der Hochschule Heilbronn klärt auf und erzählt, warum ihn die Verzögerung frustriert. Außerdem: In einer Umfrage auf dem Campus berichten Heilbronner Studierende, was sie derzeit umtreibt.
Von Annika Heffter, Foto: Midjourney/Robert Mucha
Das Thema Energiepauschale ist für viele Menschen in Deutschland abgehakt – 300 Euro bekamen alle Arbeitnehmer im September, Rentner erhielten die Summe etwas später im Dezember. Eine Gruppe wartet allerdings immer noch auf die staatliche Einmalzahlung: Studierende.
Umut Mehmet Eke, der Studierendenpräsident der Hochschule Heilbronn (HHN), kann, darauf angesprochen, nur trocken lachen. “Es ist nicht nur so, dass wir das Geld noch nicht bekommen haben, es ist auch noch überhaupt nichts zu Ende geplant”, sagt er, etwa Art und Zeitpunkt der Auszahlung.
3,5 Millionen Menschen in Deutschland sollen die Einmalzahlung erhalten
So langsam, sagt der Student der Medizinischen Informatik, würden er und viele Kommilitonen ungeduldig. “Wir leiden alle unter der Teuerung, aber besonders unter Studierenden gibt es viele, die eben nicht mega viel verdienen.” Manche seiner Kommilitonen hätten schon gar keine Erwartungshaltung mehr und “rechnen damit, dass sie das Geld eh nie sehen werden”.
Dabei, betont Eke, sei die Energiepauschale für Studierende politisch gesehen ja schon ausgemachte Sache. Der Bundestag hat das Gesetz vor Wochen verabschiedet, etwa 3,5 Millionen Menschen in Deutschland – am 1. Dezember 2022 immatrikulierte Studierende und Fachschüler – soll die Zahlung erreichen.
Bankdaten fehlen, Doppelauszahlungen sollen vermieden werden
Wo hakt es also? Im Gegensatz zu Arbeitnehmern oder Rentnern, die ihr Gehalt oder ihre Rente regelmäßig ausbezahlt bekommen, fehlen dem Staat bei der Gruppe der Studierenden Daten, die für eine direkte Auszahlung benötigt würden, zum Beispiel Bankdaten. Außerdem “gibt es Studierende, wie auch mich, die an zwei Hochschulen immatrikuliert sind”, erklärt Eke, dessen Bachelor-Studiengang kooperativ zwischen HHN und Universität Heidelberg durchgeführt wird. “Man will also doppelte Auszahlungen vermeiden.”
So hat der Bund beschlossen, eine digitale Plattform zu erstellen, über die Studierende die Energiepauschale beantragen und ihre Bankverbindung angeben können. Diese Plattform werde nun entwickelt, erklärt Eke. Sie existiert aber noch nicht.
Jeder dritte Studierende armutsgefährdet
Neben all den bürokratischen Hürden findet es Umut Mehmet Eke unverständlich, warum Studierende im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen nur 200 und nicht 300 Euro Energiepauschale bekommen. “Es ist schön, dass die Gruppe der Studierenden bedacht wird. Aber warum wir 100 Euro weniger bekommen? Keine Ahnung.” Vor allem für Studierende, die nicht in Minijobs arbeiten und kein Bafög bekommen, sei die Situation angespannt.
“Es ist ja auch nicht Sinn der Sache, dass man neben dem Studium noch 20 Stunden in der Woche arbeiten muss, um über die Runden zu kommen”, sagt der Studierendenpräsident. Er sieht die Gefahr, dass die Gruppe der Studierenden in diesen Krisenzeiten “auf der Strecke bleibt”. Laut Statistischem Bundesamt war im Jahr 2021 mehr als jeder dritte Studierende (37,9 Prozent) von Armut bedroht. Insbesondere hohe Wohnkosten tragen nach Angaben des Statistikamts zu einer Überbelastung Studierender bei.
Umfrage auf dem Bildungscampus
Annika Heffter hat sich unter Studierenden auf dem Bildungscampus umgehört, wie es ihnen in der derzeitigen Situation geht, ob die wirtschaftliche Unsicherheit, Inflation und die Energiekrise das Studentenleben verändern und ob der Staat junge Menschen genug unterstützt.
Von der Gruppe der Studierenden, die sich an der Umfrage beteiligten, haben manche noch gar nicht mitbekommen, dass sie Anrecht auf die Energiepauschale haben. Andere sehen die 200 Euro angesichts eines Nebenjobs oder ihres dualen Studiums eher wie einen Tropfen auf den heißen Stein. Dass im Land Krisenstimmung herrscht, fühlen aber fast alle der Befragten. Sie machen sich Gedanken um ihre Ausgaben, aber auch um die Zukunft auf dem Arbeitsmarkt in unsicheren Zeiten.
Antony Soliman (30), TUM Heilbronn, Master Management
“Die größte Herausforderung wird es in der derzeitigen Situation sein, nach dem Studium gleich einen Job zu finden”, sagt Antony Soliman. Der TUM-Student ist kurz vor dem Ende seines Masters in Heilbronn und glaubt, gerade in seinem Bereich werde es auf dem Markt viel Konkurrenz geben.
Der Staat, findet er, könne sich noch mehr für junge Menschen einsetzen. Das 9-Euro-Ticket etwa habe schon viel direkte Entlastung gebracht. “An der Schnittstelle zwischen Studium und Arbeit bräuchte es besonders viel Unterstützung”, zum Beispiel über große Karriere-Messen, erklärt der gebürtige Ägypter. Beim Feiern oder Essengehen macht Soliman im Moment nicht wirklich Abstriche. Sorge machen ihm eher Wohnkosten: “Mit der Energiekrise und hohen Mieten ist die Belastung in diesem Bereich besonders groß”, sagt der 30-Jährige.
Lisa Cacciola (24), HHN, Bachelor Tourismusmanagement
Um ihre Ausgaben im Blick zu behalten, hat Lisa Cacciola einen Trick: “Wenn ich ausgehe, hebe ich einen bestimmten Betrag ab und gebe dann auch nur das aus”, sagt die Tourismusmanagement-Studentin. In diesen krisenreichen Zeiten achte sie schon mehr aufs Geld, und “ich bekomme das auch von anderen mit”. Cacciola hat in diesem Wintersemester ihr Bachelor-Studium begonnen und spricht wie Anthony Soliman von hohen Mietkosten in der Stadt.
Ihre finanzielle Situation, erklärt sie, unterscheide sich aber von der vieler ihrer Kommilitonen, weil sie zuvor gearbeitet habe und erst mit dem Studium anfing, als “ich es mir auch leisten konnte”. Auch wenn Cacciola es selbst nicht nutzt, weiß die 24-Jährige von Freunden, dass die Kosten für Mobilität, etwa um Familie zu besuchen, sich selbst mit dem Semesterticket für manche sehr hoch anfühlen.
Daria Plakhotina (20), TUM Heilbronn, Bachelor Management and Technology
Die derzeitigen Krisen beschäftigen Daria Plakhotina nicht nur finanziell, sondern vor allem auch emotional. Die ukrainisch-stämmige Russin sagt, sie sei “besonders sensibel für die Hintergründe der wirtschaftlichen Krisen”.
Was das Studentenleben in Heilbronn angeht, erklärt sie, würden Partys momentan eher zu Hause und in WGs gefeiert als in den teureren Bars. Außerdem seien viele Studierenden nun mehr für ihre Ausgaben, etwa im Bereich Heiz- und Stromkosten, sensibilisiert.
Auf einem Campus wie Heilbronn mit vielen IT-Studiengängen seien auch Sorgen wegen der vielen Entlassungen in dieser Branche zu spüren. Die Auszahlung der Energiepauschale an Studierende müsse man genau im Blick behalten, findet Plakhotina. “Das ist ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung, der eben auch eine Form der Unterstützung braucht.”
Gabriel Hanna (27), HHN, Bachelor Wirtschaftsinformatik
Die Stimmung inmitten der Prüfungsphase, erklärt Gabriel Hanna, sei momentan eher nicht so entspannt. Die allgemeine Gefühlslage, nachdem man wieder vor Ort studieren könne, sei aber gut. Die Pandemie und auch der kürzliche Cyber-Angriff auf die HHN sieht er als insgesamt einschneidendere Ereignisse für die Studierenden der Hochschule als die Energiekrise. Dennoch: “Man spürt, dass die Preise gestiegen sind.” Er gehe nun häufiger in die Mensa auf dem Campus oder in den Discounter in der Nähe, wo das Essen günstig sei.
Studierende könnten seiner Meinung nach aber noch mehr entlastet werden. “Es stört mich, dass man im Parkhaus am Campus drei Euro pro Tag bezahlen muss”, nennt der 27-Jährige ein Beispiel. Da überlege man sich doch zweimal, ob man zum Lernen in die Bibliothek kommen soll, so der Kirchardter.
Hugo Lindig (19), DHBW Heilbronn, Bachelor BWL-Handel
Für Hugo Lindig ist klar: Ein duales Studium ist in diesen Zeiten von großem Vorteil. Mit einem geregelten monatlichen Einkommen und viel Praxiserfahrung blickt der Erstsemester-Student ohne große Sorgen in die Zukunft. In wirtschaftlichen Krisenzeiten, sagt Lindig, sei diese praktische Erfahrung für die Jobsuche später sehr hilfreich. Auch die Stimmung unter seinen Kommilitonen beschreibt der 19-Jährige als gut.
Neben dem geregelten Einkommen würden duale Studenten zudem doppelt von der Energiepauschale profitieren. Sie bekommen sowohl die 300 Euro für Arbeitnehmer als auch die 200 Euro für Studierende. Dementsprechend ist Lindig geduldig, was die Auszahlung der Pauschale für Studierende betrifft. Heilbronn gefällt dem gebürtigen Leipziger bisher sehr gut, auch im Vergleich zu Stuttgart, wo er in der Praxisphase arbeitet.
Mit freundlicher Genehmigung der Stimme Mediengruppe & der Heilronner Stimme