Von Besucherrekorden und Zukunftsvisionen: Die experimenta als Leuchtturm der Wissensstadt

Von Robert Mucha, Foto: experimenta

Wie wird KI-Technologie erfahrbar? Indem man sie in Holz packt. Die experimenta Heilbronn verbindet scheinbar Unvereinbares: Tradition und Zukunft, Wissenschaft und Spiel, Rekorde und Nachhaltigkeit. 2024 wurde zum erfolgreichsten Jahr der Zentrums-Geschichte. Jetzt folgt ein Führungswechsel – und eine Agenda für die Wissensstadt von morgen.

In Zahlen liest sich Erfolg manchmal nüchtern: 433.358 Besucher. 10,7 Prozent Zuwachs. 78 Laborkurse. 96,5 Prozent Auslastung der schwimmenden MS experimenta. Doch hinter den Ziffern verbergen sich Geschichten – von Kindern mit leuchtenden Augen, von Lehrern mit neuen Ideen, von Familien, die Wissenschaft gemeinsam erleben.

„Es freut mich ganz besonders, dass wir so viele Menschen jeden Alters für Wissenschaft und Technik begeistern können“, sagt Prof. Dr. Bärbel Renner bei der Jahrespressekonferenz der experimenta, wie die Heilbronner Stimme berichtet. Es sind ihre letzten Worte als Geschäftsführerin des Science Centers. Nach acht Jahren wechselt sie zur Dieter Schwarz Stiftung, dem Herzstück der Wissensstadt Heilbronn.

Der Stabwechsel markiert zugleich einen Aufbruch. Prof. Dr. Andreas Gundelwein, bisher Direktor des Technoseums in Mannheim, übernimmt im April die Leitung. Der promovierte Geowissenschaftler bringt Erfahrung aus dem Deutschen Museum München mit und konzipierte das 2021 eröffnete Zukunftsmuseum Nürnberg. Die perfekte Besetzung für ein Haus, das sich selbst ständig neu erfindet.

Besonders bemerkenswert: der im April 2024 eröffnete KI-Pavillon. Ein 180 Quadratmeter großes Holzgebäude, in dem das abstrakte Konzept Künstlicher Intelligenz plötzlich fassbar wird. Über 60.000 Menschen haben dieses kostenfreie Angebot in den ersten acht Monaten genutzt. Hier können Besucher nicht nur die Geschichte der KI erkunden, sondern auch Einblicke in den Heilbronner Innovationspark Künstliche Intelligenz (Ipai) gewinnen. Eine Umfrage offenbarte allerdings, dass nur etwa 40 Prozent der Befragten wussten, was der Ipai überhaupt ist – ein Bildungsauftrag für das Science Center.

Die experimenta nimmt diesen Auftrag ernst. „KI, was geht?“ heißt die neue Sonderausstellung, die ab Ende November 2025 mit 50 Mitmachstationen Besucher ab zehn Jahren in die Welt der Künstlichen Intelligenz einführt. Die Schau wurde in internationaler Kooperation mit Science Centern aus Bremen, Estland und Frankreich entwickelt – ein Zeichen für die überregionale Bedeutung des Heilbronner Wissenschaftszentrums.

Bis dahin können Besucher in der aktuellen Ausstellung „Natur.Schau.Spiele.“ Naturphänomene erkunden. Vom Schwarmverhalten der Vögel bis zur Physik schimmernder Seifenblasen – die Welt wird hier zum Labor, die Neugier zum Kompass.

Doch die experimenta definiert Erfolg nicht nur über Ausstellungen und Besucherzahlen. Entscheidend seien „die Inhalte und die Menschen“, betonte Renner gegenüber der Heilbronner Stimme. Besonders hob sie den Entdeckertag für Menschen mit Handicap hervor, der zweimal jährlich stattfindet. Hier können Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen, kognitiven Einschränkungen oder im Rollstuhl das Science Center in geschütztem Rahmen erkunden – ohne Barrieren und in ihrem eigenen Tempo.

Diese Vielfalt ist eines von drei Leitthemen des Science Centers, neben Künstlicher Intelligenz und Nachhaltigkeit. Letztere zeigt sich in konkreten Projekten: wiederverwendbare Ticket-Armbänder aus recycelter Berufskleidung, elf neue Grünflächen mit klimagerechter Bepflanzung vor dem Eingang, und 1.000 Quadratmeter entsiegelte Fläche. So unterstützt die experimenta auch Heilbronns Bewerbung als „European Green Capital 2026“.

Parallel zur Ausstellungsarbeit organisiert das Science Center 2025 erneut mehrere Fachtagungen: Die „Expedition Elementarbildung“ (24. Mai) widmet sich der frühen technischen Bildung in Kitas, während die Konferenz „Inter.Aktion“ (9.–11. Juli) den Umgang mit kontroversen Wissenschaftsthemen beleuchtet. Die Tagung „transformativ“ (4.–6. Dezember) diskutiert die Auswirkungen von KI auf Bildung und Gesellschaft.

Als Höhepunkt des kulturellen Programms verbindet das Festival „Science & Theatre“ (19.–23. November) gemeinsam mit dem Theater Heilbronn Wissenschaft und Bühnenkunst. Die deutschsprachige Erstaufführung des Schauspiels „Die letzte Nacht der Welt“ vom französischen Erfolgsautor Laurent Gaudé wird speziell für den Science Dome inszeniert.

Vom 3. bis 5. April wird die experimenta zudem zum Schauplatz jungen Forschergeists: Das Landesfinale des bundesweiten Wettbewerbs „Jugend forscht“ findet in Heilbronn statt. Unter dem Motto „Macht aus Fragen Antworten“ präsentieren rund 120 Jugendliche ihre 65 Forschungsprojekte. Die Hochschule Heilbronn (HHN) richtet den Wettbewerb gemeinsam mit dem natec-Landesverband und der experimenta als Pateninstitution aus.

Die experimenta fungiert dabei als das, was sie für die Wissensstadt Heilbronn insgesamt ist: Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, zwischen Bildung und Unterhaltung, zwischen Theorie und Praxis. Sie ist nicht nur Deutschlands größtes Science Center, sondern das Gesicht einer Stadt, die sich neu erfindet – als Ort des Wissens, der Innovation und der Teilhabe für alle.

Nicht schlecht für ein Haus, das vor 15 Jahren in einer ehemaligen Lagerhalle begann und heute ein architektonisches Wahrzeichen am Neckar ist. Die experimenta zeigt, was die Wissensstadt Heilbronn insgesamt symbolisiert: Aus Tradition erwächst Innovation, wenn man den Mut hat, neugierig zu bleiben.

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