Von Robert Mucha, Foto: DHBW
Sport, Studium, Job und irgendwo dazwischen noch ein Leben – in Heilbronn haben 18 junge Menschen beschlossen, den Wahnsinn zu formalisieren. Ein neues Stipendium ebnet den Weg für diejenigen, die sich weigern, zwischen Hörsaal und Wettkampf zu wählen.
Der Campus Garden in Heilbronn, ein Montagabend im Mai. Während die meisten Studierenden nach ihrem ersten Wochenstart in die gemütliche Routine des Abendessens übergehen, sitzen hier 18 junge Menschen, deren Terminkalender so vollgepackt ist, dass selbst ein Abendessen zur logistischen Herausforderung wird. Die erste Generation des Heilbronner Spitzensport-Stipendiums ist zum Begrüßungsdinner zusammengekommen.
Unter ihnen zwei Masterstudenten des DHBW Center for Advanced Studies (CAS), deren Alltag man als sportliche Hochleistung bezeichnen könnte, selbst wenn sie keinen Wettkampfsport betreiben würden: Jan Niklas Goldhammer, Masterstudent in Executive Engineering und Kaderathlet in der 1. Bundesliga im Judo in der Gewichtsklasse 100 Kilo, und Nicolas Vogt, Masterstudent in Sales and Negotiation und Kaderathlet in der 1. Bundesliga für Hallenhockey.
„Wer besonderes leisten will, braucht zusätzliche Förderung“, erklärte Klaus Greinert, Initiator des Spitzensport-Stipendiums, das schon seit 2009 besteht und nun erstmals in Heilbronn angeboten wird. Die Stipendiaten werden für zunächst drei Semester sowohl finanziell als auch organisatorisch unterstützt – etwa durch Tutorien zur Prüfungsvorbereitung oder einen monatlichen Zuschuss zum Lebensunterhalt von bis zu 200 Euro.
„Es ist für mich eine große Freude, dass im ersten Anlauf in Heilbronn direkt 18 junge Damen und Herren dabei sind“, freute sich Greinert beim Begrüßungsdinner. Auch Sarah Seidl, die gemeinsam mit ihm als Geschäftsführerin fungiert, zeigte sich beeindruckt vom schnellen Erfolg: „Von der ersten Idee im September 2023 haben wir nicht mal zwei Jahre gebraucht, dass der erste Jahrgang hier steht.“
Insgesamt 13 verschiedene olympische und nicht-olympische Sportarten sind unter den Stipendiaten vertreten – von Boxen über American Football bis hin zu Faustball und Rennradfahren. „Ich bin tief beeindruckt von der Bandbreite hier“, bekannte Professor Boris Kühnle, Direktor des DHBW CAS, und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Man spreche ja immer vom Dualen Studium, dabei sei das Leben doch noch viel komplexer. Manche von Ihnen, das lässt sich nicht vermeiden, haben auch ein Privatleben.“ Ein Satz, der für allgemeines Gelächter im Publikum sorgte.
Kühnle spricht vom „magischen Dreieck aus Beruf, Studium und Privatleben“, in dem sich die Studierenden des DHBW CAS bewegen. Die Spitzensportler, mit der erheblichen Zusatzbelastung aus Training und Wettkämpfen, leisten noch mehr: „Mit dem Spitzensport machen sie die Raute komplett“, so Kühnle.
Wie diese fast unmögliche Quadratur des Kreises gelingt, erklärt Jan Niklas Goldhammer. Der Judoka, der für den JSV Speyer auf die Matte geht, schwört auf straffe Wochenpläne mit klar definierten Zeitfenstern für Arbeit, Hochschule und Training. Sein Geheimrezept? „Selbstorganisation und Planung, zusammen mit wohlwollenden Kollegen und Profs“, sagt Goldhammer. Das Umfeld, dazu gehöre auch die Unterstützung in der Familie, sei das A und O in der Bewältigung dieses Hochleistungs-Alltags.
Für Nicolas Vogt, der für die HTC Stuttgarter Kickers in der 1. Bundesliga Hallenhockey spielt, ist die Vereinbarkeit ebenfalls eine organisatorische und finanzielle Herausforderung. Viel Herzblut steckt er in einen Sport, der in Deutschland oft noch ein Schattendasein fristet. „Hockey ist nicht so bekannt, wie es der Sport verdient hätte“, bedauert Vogt. Die Fahrten zu Turnieren zahlt er komplett aus eigener Tasche. Vom Spitzensport-Stipendium erhofft er sich vor allem Kontakte und ein Netzwerk, um perspektivisch auch im Feldhockey auf Bundesliga-Niveau spielen zu können.
Sich weiterzuentwickeln, sportlich und beruflich – das ist für beide Spitzensportler ein wichtiges Ziel. Das Stipendium, das in Heilbronn erstmals vergeben wird, könnte dabei ein wichtiger Baustein sein. Es ist ein weiteres Element im Selbstverständnis einer Stadt, die sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Bildungsstandort entwickelt hat und nun auch den Spitzensport stärker in den Fokus rückt.
Die Raute aus Studium, Beruf, Privatleben und Spitzensport mag auf den ersten Blick wie ein Rezept für permanente Überforderung wirken. Doch die 18 jungen Menschen, die an diesem Montagabend im Campus Garden zusammensitzen, beweisen, dass es möglich ist – mit der richtigen Unterstützung, einem wohlwollenden Umfeld und einer gehörigen Portion Selbstdisziplin. Man darf gespannt sein, welche Erfolge sie in den kommenden drei Semestern sowohl im Hörsaal als auch in der Sporthalle erzielen werden.