Von Robert Mucha, Foto: IPAI
Während andere noch über ChatGPT staunen, denkt Moritz Gräter schon zwei Schritte weiter. Der Geschäftsführer des Heilbronner Innovationsparks für Künstliche Intelligenz (Ipai) sieht die Region an einer entscheidenden Schwelle – zwischen digitaler Evolution und Revolution. Ein Gespräch über Familienfotos, mutige Mittelständler und die Sehnsucht der Heilbronner nach Zukunft.
Morgens um acht sitzt Moritz Gräter noch ganz analog mit seiner Familie am Frühstückstisch. Keine KI weit und breit. Erst danach, beim Zusammenstellen des Enkel-Weihnachtskalenders für Oma und Opa, kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel – in Form einer Gesichtserkennung, die das Sortieren der Fotos übernimmt. Es ist diese Mischung aus Tradition und Innovation, die symptomatisch für Gräters Vision einer KI-gestützten Zukunft steht.
„Wir sind gerade an einer Schwelle“, erklärt der 41-jährige Ipai-Chef im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. „Noch geht es oftmals ohne KI, aber eben nicht mehr lange.“ Was theoretisch klingt, ist in der Praxis längst Realität. Über 50 Unternehmen haben sich dem Heilbronner KI-Ökosystem bereits angeschlossen – vom Global Player wie Porsche bis zum mutigen Mittelständler wie Bürkert oder Gemü.
Die Strahlkraft des Projekts reicht dabei weit über die Region hinaus. „In Berlin erzählte mir kürzlich eine Mitarbeiterin einer großen Unternehmensberatung, Ipai werde in jedem Termin erwähnt“, berichtet Gräter nicht ohne Stolz. Aus dem einstigen Zwei-Mann-Betrieb ist in nur zwei Jahren ein Team von 45 Mitarbeitern geworden.
Doch der wahre Erfolg zeigt sich für Gräter woanders: in der „großen Lust auf Zukunft“ der Heilbronner Bevölkerung. Seit der Eröffnung der Ipai Spaces im Wohlgelegen Ende Juni reißt der Besucherstrom nicht ab. „Die Menschen wollen diese Zukunft mitgestalten und sich informieren“, beobachtet Gräter. Vom KI-Pavillon der Experimenta bis zum KI-Festival – die Stadt entwickelt sich zu einem Laboratorium der digitalen Transformation.
Die Expansion geht weiter: Ende 2025 sollen die Bauarbeiten für den Ipai-Campus beginnen. Aus den anfänglichen 1,5 Etagen im Wohlgelegen wurden bereits 6.500 Quadratmeter. „Wir geben Gas“, sagt Gräter und meint damit nicht nur die bauliche Entwicklung. Das Ziel ist klar: Ipai soll zum relevantesten KI-Ökosystem Europas werden.
Dabei setzt der Tübinger Familienvater auf Qualität statt Quantität. „Wer eine Ipai-Mitgliedschaft nur als Marketing-Tool nutzen will, bei dem bleiben wir erstmal auf Abstand“, macht er deutlich. Die echte digitale Transformation der Unternehmen steht im Fokus – und die Zeit drängt. „In der KI-Forschung sind wir in Deutschland schon sehr gut. Wo wir richtig Gas geben müssen, ist bei den Anwendungen und Start-ups.“
Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung markiert das KI-Festival am 19. und 20. Juli 2025, wo sich das gesamte digitale Ökosystem Heilbronns präsentieren wird – von der Programmierschule 42 bis zum Bildungscampus. Bis dahin dürfte auch der letzte Frühstückstisch in der Region verstanden haben: Die Zukunft ist längst da – und sie spricht KI.