Von Robert Mucha, Foto: Robert Mucha/Ideogram
Was Oma noch in den Coupons der Tageszeitung suchte, versteckt sich heute hinter QR-Codes und Push-Nachrichten: Rabatte im Lebensmittelhandel werden zunehmend digital. Ein Heilbronner Handelsexperte erklärt, warum der Kasten Bier künftig nicht mehr für alle gleich viel kostet – und weshalb manche Kunden davon profitieren könnten.
Die Revolution des deutschen Einkaufens beginnt unscheinbar, irgendwo zwischen Butterregal und Kaffeeangebot. Wer genau hinschaut, entdeckt sie in Form kleiner, zusätzlicher Preisschilder: „Nur mit App“. Was nach einer harmlosen digitalen Evolution klingt, markiert in Wirklichkeit einen fundamentalen Wandel im Einzelhandel, erklärt Professor Carsten Kortum von der DHBW Heilbronn.
„Wir stehen vor einer unsichtbaren Schallmauer“, analysiert der Handelsexperte im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. Nur etwa 40 Prozent der Kunden nutzen bisher die Apps der großen Handelsketten – bei Lidl sind es 37 Prozent, andere Ketten wie Rewe, Kaufland oder Edeka erreichen immerhin noch mehr als jeden vierten Kunden digital. Doch das Wachstum stockt. „Die Mehrheit der Kunden ist nicht bereit, ihre Daten herzugeben“, konstatiert Kortum.
Die Antwort der Handelsketten auf diese digitale Zurückhaltung? Sie setzen dort an, wo es den Deutschen traditionell am meisten schmerzt: beim Portemonnaie. Ausgerechnet die sogenannten Eckartikel – jene Produkte also, die früher prominent im Prospekt prangten – gibt es nun oft nur noch mit digitalem Rabatt. Der Kasten Bier, die Packung Kaffee, die Butter – alles Produkte, bei denen der deutsche Kunde besonders preissensibel reagiert.
Dabei zeichnet sich bereits die nächste Evolutionsstufe ab. Dank Künstlicher Intelligenz können die Händler nicht nur Milliarden von Einkaufsdaten auswerten, sondern auch individuelle Kaufgewohnheiten analysieren. „Da könnte man auch die unterschiedlichen Preisbereitschaften ausnutzen“, deutet Kortum an. Konkret: Während der eine Kunde erst bei zehn Euro zum Kasten Bier greift, ist der andere auch bei 13 Euro noch dabei – und die App weiß das.
220 Mal pro Jahr besucht der durchschnittliche Deutsche einen Lebensmittelladen. Mehr als die Hälfte dieser Einkäufe wird vorab geplant – ein gewaltiges Potenzial für die digitale Steuerung von Kaufentscheidungen. Nur bei spontanen Einkäufen, so Kortum, bleibe der Einfluss der Apps begrenzt.
Doch was bedeutet diese Entwicklung für jene, die digital nicht mithalten können oder wollen? Die gute Nachricht: Ganz ohne analoge Rabatte wird es auch in Zukunft nicht gehen. „Das kann sich kein Unternehmen erlauben“, beruhigt Kortum. „Stand jetzt würde es die Mehrheit seiner Kunden ausschließen und verprellen.“
Und so vollzieht sich die digitale Transformation des deutschen Einkaufswagens leise, aber stetig. Wo früher Prospekte durchgeblättert wurden, wischen heute Finger über Displays. Die Rabattmarken der Oma werden zu Algorithmen der Enkelgeneration. Nur eines bleibt konstant: Die deutsche Liebe zum Schnäppchen – analog wie digital.