Im Innovationslabor der Geschlechtergerechtigkeit

Von Robert Mucha, Foto: ChatGPT/Robert Mucha

Heilbronn baut mit europäischen Partnern an einer Zukunft, in der Innovation nicht mehr vom Geschlecht abhängt. Der neue GILL Hub will systematische Veränderungen in Innovationsökosystemen anstoßen – mit Heilbronn als einem der Epizentren des Wandels.

Es ist ein Frühlingsnachmittag in Heilbronn. Während auf dem Bildungscampus Studierende zwischen Vorlesungen pendeln und in der Mensa über KI-Algorithmen und Startup-Ideen diskutieren, passiert ein paar Räume weiter etwas, das über die Grenzen der Stadt hinausstrahlt. Hier entsteht ein Netzwerk, das in zehn europäischen Ländern gleichzeitig Wurzeln schlägt.

Der GILL Hub – hinter dem Akronym verbirgt sich „Gendered Innovation Living Labs“ – nimmt nach monatelanger Vorarbeit seinen Betrieb auf. Was zunächst nach typischem EU-Projektsprech klingt, hat tatsächlich das Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie wir über Innovation und Unternehmertum nachdenken.

Die Grundidee: Innovation funktioniert nur dann optimal, wenn alle mitmachen können. Wenn aber systematisch ganze Bevölkerungsgruppen – in diesem Fall besonders Frauen – ausgeschlossen werden, entsteht eine doppelte Verliererrechnung: Die Ausgeschlossenen können ihr Potenzial nicht entfalten, und die Gesellschaft verpasst Innovationen, die aus anderen Perspektiven entstanden wären.

Heilbronn, das in den letzten Jahren durch seinen Bildungscampus, die TU München und zahlreiche Forschungsinstitute zu einem ernstzunehmenden Wissenschaftsstandort herangewachsen ist, spielt bei diesem europäischen Projekt eine zentrale Rolle. Die Hochschule Heilbronn betreibt eines der Reallabore des Projekts, in dem Methoden für geschlechtergerechte Innovation entwickelt und getestet werden.

Prof. Dr. Nicola Marsden, die wissenschaftliche Leitung des Heilbronner Reallabors, sieht in dem Projekt die Chance, „systematische Veränderungen in Innovationsökosystemen zu ermöglichen“ – mit einem klaren Fokus auf Chancengleichheit und Teilhabe, wie sie in der offiziellen Mitteilung der Hochschule betont.

Wer sich unter einem „Living Lab“ nichts vorstellen kann: Es geht um Experimentierräume, in denen nicht im stillen Kämmerlein geforscht wird, sondern mit den Menschen, für die eine Innovation gedacht ist. Das „Labor“ verlässt die Labormauern und integriert die reale Welt mit all ihren Widersprüchen und Komplexitäten.

Der GILL Hub konzentriert sich dabei auf drei Zukunftsfelder: Gesundheit und Resilienz, grüne Transformation und digitale Transformation. In diesen Bereichen sollen Innovations- und Gründungsprozesse so umgestaltet werden, dass Geschlechterungleichheiten keinen Platz mehr haben.

Die Plattform richtet sich an eine breite Zielgruppe: Gründerinnen, die ihr Startup von Anfang an diverser aufstellen wollen; Entwicklerinnen, die sicherstellen möchten, dass ihre Produkte nicht unbewusst ein Geschlecht diskriminieren; aber auch an politische Entscheidungsträger*innen, die Rahmenbedingungen für Innovation gestalten.

Was der GILL Hub konkret bietet: zehn Module mit Pilotprojekten, Methoden für Gleichstellung und Diversität, Trainingsformate, Mentoring-Angebote und mehr. Der Zugang ist kostenfrei – eine Registrierung genügt.

Hinter dem Projekt steht ein Konsortium aus 17 Partnerorganisationen aus zehn europäischen Ländern. Die Finanzierung kommt von der Europäischen Union, mit Kofinanzierung durch UK Research and Innovation – ein Zeichen dafür, dass trotz Brexit die wissenschaftliche Zusammenarbeit über den Ärmelkanal hinweg weitergeht.

Heilbronn, das sich in den letzten Jahren einen Namen als aufstrebender Bildungs- und Wissenschaftsstandort gemacht hat, beweist mit diesem Projekt, dass es nicht nur bei Themen wie KI und Digitalisierung vorne mitspielen will, sondern auch bei der Frage, wie Innovation gerechter und inklusiver gestaltet werden kann. Ein weiterer Baustein im Selbstverständnis der wachsenden Wissensstadt an Neckar und Bildungscampus.

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