Grüne Denkschule: Als Heilbronns Hochschule eine Woche lang die Erde rettete

Von Robert Mucha, Foto: HHN

Während andere noch über Nachhaltigkeit philosophieren, schritt die Hochschule Heilbronn zur Tat: Mit Kanus auf dem Neckar, Kleidertauschpartys im Foyer und Bürgermeistern auf dem Podium. Eine Woche im Zeichen der praktischen Weltrettung.

Da kniet ein Professor im Kanu, die Hose schon halb durchnässt, und fischt Plastikflaschen aus dem Neckar. Ein paar Kilometer weiter sortiert eine Studentin Vintage-Pullover nach Größen, während im Hörsaal der städtische Baumwächter mit Studierenden über die Zukunft grüner Infrastruktur diskutiert. Willkommen bei der Earth Week der Hochschule Heilbronn, wo Umweltschutz nicht nur theoretisch gelehrt, sondern praktisch gelebt wird.

Die Idee ist so simpel wie wirkungsvoll: Eine Woche lang verwandelt sich der Campus in ein Labor für nachhaltige Lebensentwürfe. Über 30 Veranstaltungen an vier Standorten, Hunderte Teilnehmende, Tonnen gesammelter Müll und Berge getauschter Kleidung später lässt sich feststellen: In Heilbronn wird Nachhaltigkeit nicht nur als Modewort verstanden, sondern als Handlungsauftrag.

Den offiziellen Startschuss der Aktionswoche gab ausgerechnet jemand, der täglich das Wetter präsentiert, aber selten die Möglichkeit hat, tiefergehend über Klimawandel zu sprechen: Dr. Katja Horneffer, die Leiterin des ZDF-Wetterteams. Sie referierte über Extremwetterereignisse im Klimawandel – und legte damit den wissenschaftlichen Grundstein für die praktischen Aktionen der folgenden Tage.

Klimaschutzmanager Tobias Held präsentierte im Anschluss das eigene Klimaschutzkonzept der Hochschule – ein Dokument, das sich liest, als hätte jemand einen Nachhilfeunterricht für Institutionen im Kampf gegen die Klimakrise verfasst. Mit Maßnahmen in Bereichen wie Mobilität, Wärme- und Kältenutzung oder dem Beschaffungswesen will die Hochschule ihre Emissionen strukturiert senken.

Während manche Hochschulen bei solchen Themen gerne in akademischer Distanz verharren, holte die HHN direkt die Stadtverwaltung ins Boot. Beim Format „Studi trifft Bürgermeister“ saß Bau- und Umweltbürgermeister Andreas Ringle plötzlich Studierenden gegenüber, die ihre Ideen „für das Heilbronn von morgen“ vortrugen. Die Hochschule als Mittlerin zwischen jungen Ideen und städtischen Entscheidungsträgern – ein Format, das in Zeiten klimapolitischer Konfrontationen bemerkenswert konstruktiv erscheint.

Besucherin Kim Nguyen fasste ihre Eindrücke gegenüber der Hochschule zusammen: „Vor allem die alltagstauglichen Tipps, was jeder selbst tun kann, nehme ich mit – etwa den Fleischkonsum zu reduzieren oder Milchprodukte durch pflanzliche Alternativen zu ersetzen.“ Diese pragmatische Herangehensweise zog sich wie ein grüner Faden durch die Veranstaltungswoche.

Einen besonderen Höhepunkt stellte die Kleidertauschparty dar, initiiert von der 24-jährigen HHN-Studentin Gianna Cuttica, die Nachhaltige Tourismusentwicklung studiert und Stipendiatin im HHN-Programm „Grüne Zukunft“ ist. „Die Kleidertauschparty kommt super an – ich freue mich riesig! Besonders schön finde ich, dass so viele spontan vorbeikommen. Eine Besucherin hat gerade 30 Teile mitgebracht und direkt etwas Schönes für sich gefunden“, berichtete sie enthusiastisch während der Veranstaltung.

Während Studierende im Gebäude Kleidung tauschten, schwärmten draußen Teams aus, um die Stadt aufzuräumen. Die Müllsammelaktion „Heilbronn CleanUP“ mobilisierte rund 120 Personen, die gemeinsam durch verschiedene Stadtteile zogen. Rektor Oliver Lenzen und Oberbürgermeister Harry Mergel gaben den Startschuss für die Aktion – ein symbolträchtiger Schulterschluss zwischen Hochschule und Stadt.

Professor Andreas Hoch und sein Team wählten für ihre Müllsammelaktion einen besonders nassen Weg: Mit Kanus ausgestattet fischten sie Abfälle direkt aus dem Neckar. Ein ungewöhnlicher Anblick, der sinnbildlich für den praktischen Ansatz der Earth Week steht: Nicht nur darüber reden, sondern machen – selbst wenn man dabei nasse Füße riskiert.

Der Auftakt der Earth Week wurde nach den Kriterien von „Green Event BW“ ausgerichtet und erfolgreich zertifiziert – ein Qualitätssiegel für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement in Baden-Württemberg. Rektor Oliver Lenzen zeigte sich zufrieden mit der Resonanz: „Umwelt- und Klimaschutz geht uns alle an. Als Hochschule für Angewandte Wissenschaften übernehmen wir Verantwortung und leisten durch Forschung und Lehre einen Beitrag zur Lösung dieser Herausforderungen.“

Die Earth Week der Hochschule Heilbronn stellt unter Beweis, dass der oft beklagte Graben zwischen Theorie und Praxis in der Nachhaltigkeitsdebatte überwindbar ist. Während andernorts noch über Zertifikate und Konzepte diskutiert wird, tauschen hier Studierende bereits Pullover, fischen Professoren Plastik aus dem Fluss und entwerfen junge Menschen gemeinsam mit der Stadtverwaltung die Zukunft ihrer Stadt. In Heilbronn, so scheint es, hat die Wissensstadt einen pragmatischen Zugang zur Weltrettung gefunden – mit Gummistiefeln, Tauschbörsen und der nötigen Portion akademischem Sachverstand.

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