Von Robert Mucha, Foto: experimenta
Der fünfte Entdeckertag der experimenta zeigt, wie inklusives Erleben von Wissenschaft gelingen kann. Menschen im Autismusspektrum erkundeten das Science Center in ihrer eigenen Geschwindigkeit – ein Konzept mit Zukunft.
Leise Begeisterung herrscht an diesem besonderen Tag in der experimenta. Wo sich sonst Hunderte Kinder an den Mitmachstationen drängen, erleben Menschen im Autismusspektrum und ihre Begleitpersonen die Wissenschaftswelt ganz in ihrem eigenen Tempo. Es ist der fünfte Entdeckertag des Science Centers – ein Format, das verschiedenen Gruppen einen barrierefreien Zugang zu Wissenschaft und Experimenten ermöglicht.
„Ich finde es einfach klasse, dass es den Tag gibt“, sagt Marlis Seibert, Vorsitzende von autista Heilbronn e.V. „Manche unserer Klienten sind in ihrem Alltag doch ziemlich isoliert und an so einem Aktionstag können sie sich raustrauen.“ Besonders wichtig sei dabei die vorurteilsfreie Atmosphäre: „Selbst, wenn das Kind sich – in Anführungszeichen – vermeintlich danebenbenimmt, wird es nicht abgelehnt.“
Das Konzept wurde sorgfältig mit dem Verein autista Heilbronn entwickelt. Geräuschintensive Stationen blieben ausgeschaltet, dunkle und laute Bereiche wurden besonders gekennzeichnet. Spezielle Ruheräume boten Rückzugsmöglichkeiten. Ein Highlight war das Theaterstück „Lumina“, das die Geschichte eines fantastischen Unterwasserwesens ganz ohne Worte und hektische Bewegungen erzählt.
„Viele Autisten nehmen Aussagen wortwörtlich. Sie können Metaphern, Sprichwörter und Witze nicht verstehen, weil sie nicht damit rechnen, dass Menschen etwas tun oder sagen, was sie nicht exakt so meinen“, erklärt Seibert. Ihr Vereinskollege Christoph Lemke ergänzt: „Auch schwarzer Humor geht gar nicht – das kann schnell nach hinten losgehen.“
Doch die Vereinsvertreter warnen vor Verallgemeinerungen. „Man darf ihre Bedürfnisse nicht verallgemeinern“, betont Margit Gmelin von autista Heilbronn. Manche Menschen im Autismusspektrum kämen durchaus gut mit einem lebendigen Umfeld zurecht.
Der Entdeckertag soll mehr sein als ein einmaliges Erlebnis. „Die meisten Kinder sind wirklich interessiert an den Dingen, die es hier gibt – ganz so wie alle anderen Kinder auch“, sagt Seibert. „Ich könnte mir vorstellen, dass manche Familien nach diesem Entdeckertag öfter in die experimenta kommen und Kinder mit Autismus dann auch mehr mit anderen in Kontakt kommen.“
Die Wirkung des speziellen Formats beschreiben Gmelin und Lemke so: „Sie lernen erst einmal die Atmosphäre kennen. Und wenn sie sich wohlfühlen, können sie sich in einer guten Atmosphäre auch entwickeln.“
Die Erfolgsgeschichte geht weiter: Anfang Mai 2025 öffnet die experimenta ihre Türen für Menschen mit „Förderschwerpunkt Sehen“ – ein weiterer Schritt zu einem Science Center für alle.