Digitale Datenräume zur Kooperation von KMU unter Einsatz von KI zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber ausländischem Wettbewerb

Weil im Schönbuch, 05.10.2023

Die Digitale Transformation folgt einem klaren Prinzip: Virtualität steuert Realität. Dahinter verbirgt sich der Ansatz, dass reale Prozesse über deren Digitale Zwillinge orchestriert werden. International wird dies bereits erfolgreich in der Land-, Bau-, Energiewirtschaft sowie in der öffentlichen Verwaltung und anderen Sektoren umgesetzt. Besonders für die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Energie- und Klimakrise, scheint dies ein erfolgversprechendes Prinzip zu sein.

Bei der Umsetzung und nutzenstiftenden Anwendung dieses Prinzips ist die deutsche Wirtschaft deutlich im Hintertreffen. Gründe dafür sind unter anderem die kulturelle und emotionale Hürde, Daten zu teilen sowie die nur geringe Vorstellungskraft, welche Möglichkeiten durch Unternehmenskooperationen möglich sind.

Daher hat das Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSTI) begonnen, das Prinzip “Virtualität steuert Realität” in kleinen Pilotlösungen mit der mittelständischen Wirtschaft umzusetzen und Konzepte zu entwickeln, die ein vertrauenswürdiges Kooperieren ermöglichen. Die ersten Ergebnisse auf der Nutzenseite überzeugen: In einem ersten Konzept in der Holzindustrie konnten Brandrisiken minimiert und damit die Betriebsbereitschaft erhöht werden. Hierzu werden Maschinenzustände wie Temperaturen in deren Digitale Zwillinge in einen kooperativen Datenraum zur Verfügung gestellt. Auf dieser Basis können Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen neue KI-Dienstleistungen anbieten, zum Beispiel zur Brandbeherrschung und Energieeffizienz. Damit entsteht gemeinschaftlich ein Leistungsbündel zur Sicherstellung und Verbesserung der Betriebsbereitschaft, von dem jeder profitiert.

Heiner Lasi, Leiter des Ferdinand-Steinbeis-Instituts, betont, dass aktuell eine Abwanderung der digitalen Wertschöpfung in Richtung USA und China stattfindet, die zunehmend Digitale Zwillinge zur Orchestrierung der deutschen Wirtschaft nutzen. Die deutsche Industrie und insbesondere der Mittelstand haben jedoch große Chancen im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein, wenn der Mut zur Kooperation auf der Datenebene vorhanden ist.

Heiner Lasi, Wissenschaftlicher Leiter des Ferdinand-Steinbeis-Institut

Im Pilotunternehmen Sägewerk Braun in Weil im Schönbuch wurde mit der wissenschaftlichen Unterstützung des Ferdinand-Steinbeis-Instituts von den beteiligten Partnern, zu denen die Industrievertretung Bossert und riskcona gehören, ein europaweit wegweisender Ansatz der Gründung einer Datengenossenschaft gewählt und umgesetzt. Ein Nutzen hieraus ist, dass
permanent Transparenz über relevante Zustände im Betrieb besteht und bei Bedarf frühzeitig
eingegriffen werden kann.

Traugott Reichert, Geschäftsführer der Chr. Braun GmbH & Co. KG erläutert, dass eine große mentale Hürde darin besteht, nicht mehr in Kunden- und Lieferantenstrukturen, sondern in Partnerschaften zu denken. Das Teilen von Daten mit „Partnern“, die ihn beim Überwachen (Monitoren) und Reduzieren von Risiken unterstützen, ist für ihn mittlerweile nur folgerichtig.

„Betriebsbereitschaft ist ein Erfolg, der nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die das Teilen von Daten einschließt, entstehen kann“, ist Traugott Reichert überzeugt. „Und am Ende profitiert jeder davon“.

Traugott Reichert, Geschäftsführer Chr. Bruan GmbH & Co. KG

Auch aus der Sicht von Daniel Eberhardt, Geschäftsführer der riskcona Consulting GmbH, ist ohne das intensive Monitoren der Risiken in den Unternehmen mittels digitaler Zwillinge und KI, die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft der Unternehmen und die damit verbundene Stabilisierung der Lieferketten in der Zukunft nicht mehr zu schaffen.

„Die gemeinschaftliche Verwendung von Zustandsdaten wird der entscheidende Wettbewerbsvorteil unseres Landes in der Zukunft sein und unsere wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig beeinflussen“ ist sich Eberhardt sicher.

Daniel Eberhardt, Geschäftsführer der riskona Consulting Gmbh

Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass dieser Ansatz im internationalen Wettbewerb eine wichtige Rolle spielen kann: Diese gemeinschaftliche Leistungsbündeln (bspw. zur Risikovermeidung) führt dazu, dass mittelständische Unternehmen im Wettbewerb mit internationalen Großkonzernen teils überlegene Leistungen anbieten können. Dieser zukunftsweisende Ansatz wird aktuell in weiteren Bereichen wie der Umsetzung zur Flexibilisierung der Energienachfrage, Reduzierung von Wasserverlusten, im Pay-per-Use-Ansatz der Industrie und Logistik sowie in der Transparenz zur Produktherkunft landwirtschaftlicher Erzeugnisse erprobt.

Die Entscheidungsträger im Mittelstand können durch ihre Struktur der flachen Hierarchien das dafür notwendige unternehmensübergreifende Vertrauen sehr viel schneller aufbauen und im Verbund sich gegenseitig ergänzender Kompetenzen in dieser Entwicklung vorangehen. Frank Bossert, geschäftsführender Gesellschafter eines regionalen Vertriebsdienstleisters, sieht darin auch die Bestätigung für das Elektro-Handwerk, das in den Bereichen „Nachhaltigkeit“ und „Digitalisierung“ eine ganz zentrale Rolle einnimmt.

Für den digitalen Fortschritt braucht es deren Dienstleistungen – sei es bei der intelligenten Gebäudevernetzung oder bei den Themen „Energieeffizienz“, „Smart Home“, „Energiemanagement“ und „Betriebssicherheit“.

Frank Bossert, geschäftsführender Gesellschafter eines regionalen Vertriebsdienstleister

Die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes ist auch für den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Dr. Florian Toncar MdB, von zentraler Bedeutung. Er sieht Daten als Rohstoff der Digitalisierung an.

“Ich bin beeindruckt davon, wie innovativ unsere mittelständischen Handwerksbetriebe bereits die Möglichkeiten der modernen Datenökonomie und der künstlichen Intelligenz nutzen. Die Bundesregierung hat eine Datenstrategie und einen Aktionsplan für Künstliche Intelligenz erarbeitet. Unter anderem unterstützen wir Forschungseinrichtungen und Unternehmen dabei, noch mehr kooperative Datenräume zu etablieren, um das Potenzial der Datenökonomie voll auszuschöpfen.”

Florian Toncar MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

Bei den aktuellen Pilotlösungen zeigt sich, dass die Grenze zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sphäre zunehmend verschwimmt. Eine der großen Herausforderungen besteht darin, nutzenzentriert vertrauenswürdige Experimentierräume für Unternehmen zu öffnen und begleitend gesellschaftliche Auswirkungen zu diskutieren sowie eine angemessene Regulierung voranzutreiben.

An dieser Stelle sind Gesellschaft und Politik gefordert. Beispiele zur Orientierung existieren zwischenzeitlich in Form der FSTI-spezifischen Methode der “Micro-Testbeds” in nennenswerter Anzahl und Branchen-Variation. Dazu gehört beispielsweise die hier im Sägewerk Braun umgesetzte Datengenossenschaft, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen durch Einsatz neuer Technologien demonstriert.

Ebenso darf die gesellschaftliche Dimension beim Einsatz neuer digitaler Technologien nicht unterschätzt werden. Da diese in ihrer Komplexität nicht einfach zu verstehen sind, werden sie oft pauschal seitens der betroffenen Menschen abgelehnt und als Bedrohung empfunden. Norbert Höptner (Senior Research Fellow beim FSTI) fordert daher, dass wir uns mehr bemühen, in einem Vertrauensraum Informationen auf verständliche Weise für die Gesellschaft bereitzustellen.

“Jeder spricht davon, dass Bildung eins unserer wichtigsten Eckpfeiler in der Demokratie ist. Wir müssen dringend die zu vermittelnden Bildungsinhalte an die digitale Realität anpassen. Denn: was nützt uns eine weltweit führende Wissenschaft, wenn die Gesellschaft nicht bereit ist, deren Ergebnisse wirkungsvoll einzusetzen!”

Norbert Höptner, Senior Research Fellow am Ferdinand-Steinbeis-Institut

Und noch ein Punkt darf nicht vergessen werden: um diesen Transformationsprozess gut gestalten zu können, werden faire Förderrichtlinien für alle fähigen Institute benötigt. Es sollte niemand benachteiligt werden, egal ob die Arbeiten in einem kleineren privat-finanzierten Institut oder in einer großen Forschungs-Allianz durchgeführt werden. Im Vordergrund muss der Nutzen dieser Arbeiten für unsere gesellschaftliche Entwicklung sein.

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