Die digitale Schatzkarte für den Mittelstand: Wie amberSearch über Heilbronn den europäischen Markt erobert

Von Robert Mucha, Foto: amberSearch

Mit einer frischen Finanzspritze von 2,1 Millionen Euro will das KI-Startup amberSearch die chaotische Suche nach Unternehmensdaten revolutionieren. Die in Heilbronns KI-Inkubator gereifte Idee könnte zum Gamechanger für den deutschen Mittelstand werden – und zeigt, wie europäische Technologielösungen in der KI-Ära aussehen können.

Der Albtraum kennt viele Formen: Eine wichtige Präsentation verschwindet im E-Mail-Postfach, Projektdaten verirren sich in verschachtelten Ordnerstrukturen, und das Wissen langjähriger Mitarbeiter verschwindet mit deren Ausscheiden. Der deutsche Mittelstand kämpft täglich mit dieser digitalen Unordnung. Ein Startup, das im Heilbronner KI-Ökosystem wichtige Entwicklungsimpulse erhielt, verspricht nun eine Lösung.

Die Millionen-Finanzierung als Meilenstein

Der Venture Capital Fonds Ventech investiert 2,1 Millionen Euro in amberSearch, wie das Unternehmen am 25. März 2025 bekannt gab. „Wir haben mit Ventech als Leadinvestor eine 2,1 Millionen Euro große Finanzierungsrunde abgeschlossen, mit deren Hilfe wir amberSearch weiterhin als führende KI-Plattform im deutschen Mittelstand positionieren werden“, verkündet Philipp Reißel, CEO und Mitgründer von amberSearch, in einem offiziellen Statement auf YouTube.

Gegründet wurde amberSearch 2021 von drei RWTH Aachen University Alumni: Philipp Reißel, Bastian Maiworm und Igli Manaj. Was als studentisches Projekt begann, hat sich mittlerweile zu einem etablierten Unternehmen mit 30 Mitarbeitern entwickelt. „Gestartet als drei Studenten in unseren WG-Zimmern in Aachen sind wir mittlerweile ein etabliertes Unternehmen mit über 25 Mitarbeitern“, erinnert sich Reißel in einem YouTube-Video an die Anfänge. Bis Ende des Jahres soll die Mitarbeiterzahl sich verdoppeln, wie aus der aktuellen Kommunikation des Unternehmens hervorgeht.

Der Weg nach Heilbronn

Entscheidend für die Entwicklung des Startups war das „AI Founders“-Programm der Campus Founders in Heilbronn, an dem die Gründer im Herbst 2023 teilnahmen. Hier entstand unter anderem der Kontakt zu wichtigen Kunden aus der Region, darunter die Planungsgruppe M+M aus Neckarsulm und der Ventilatorenhersteller EBM-Papst aus Mulfingen.

Nicolas Barthalon, Investor bei Ventech in München, erklärt das Investment: „In nur wenigen Monaten hat amberSearch bereits seine Fähigkeit bewiesen, KI in großem Maßstab zu implementieren und geschickt durch das komplexe Netz von Unternehmensdaten zu navigieren, um undokumentierte Unternehmensprozesse und Mitarbeiter-Expertise nutzbar zu machen“, wird er auf der Tech-Plattform tech.eu zitiert. „Dies hat zu einer beeindruckenden Akzeptanz und Nutzung innerhalb von Organisationen geführt und positioniert amberSearch im Zentrum der Workflows von KMUs.“

Wenn Google auf Mittelstand trifft

Das Kernprodukt von amberSearch ist verblüffend simpel: Ein Suchfeld, das aussieht wie Google, aber auf sämtliche Unternehmensdaten zugreift – von E-Mails über Dokumente bis hin zu Präsentationen und Projektdaten.

„Damals sind wir mit der Vision gestartet, dass wir die interne Informationsauffindung und Verarbeitung genauso leicht machen wollen, wie wir das schon seit Jahren aus dem Internet kennen“, erklärt Reißel in seinem Video-Statement. „Damals gab es keine Lösung, die das ermöglicht hat.“

Was amberSearch besonders macht: Die KI-Lösung verbindet nicht nur gängige US-amerikanische Softwaresysteme, sondern integriert auch europäische Software. „Wir legen einen Wert darauf, dass wir eine direkte Integration zu vorhandenen Softwaresystemen schaffen, darunter nicht nur Mailsysteme wie Outlook, sondern auch DMS-Systeme von europäischen Softwareherstellern wie d.velop, wie ELO, wie Starke DMS oder auch Intranet-Tools wie Staffbase und Halo“, betont Reißel im Video.

Der Schatz im Datenberg

In einem ausführlichen Demonstration-Video zeigt das Unternehmen, wie die Technologie funktioniert. Nutzer können eine Frage eingeben – zum Beispiel „Wer sind Lieferanten für hochpräzise Kugellager?“ – und erhalten sofort relevante Ergebnisse aus verschiedenen Systemen. Die KI fasst die Informationen zusammen und gibt präzise an, woher die Daten stammen.

Besonders wichtig dabei: Die Technologie respektiert bestehende Zugriffsrechte. „Jeder Mitarbeiter ist immer eingeloggt mit seinem Microsoft-Account, sprich wir wissen, wer gerade sucht, und wir berücksichtigen konstant die bestehenden Zugriffsrechte“, erklärt das Unternehmen in seinem Produkt-Video. Damit entfällt für IT-Administratoren der Aufwand, eine doppelte Infrastruktur für Zugriffsrechte aufzubauen.

Europäische Antwort auf KI-Dominanz

Im Zeitalter von ChatGPT und anderen generativen KI-Modellen positioniert sich amberSearch gezielt als europäische Alternative. Während viele KI-Anwendungen auf große Unternehmen abzielen, konzentriert sich amberSearch auf kleine und mittlere Unternehmen.

„Was uns wirklich ausmacht, ist, dass wir nicht an die ganz Großen verkaufen, sondern aufgrund der Standardisierung unserer KI-Modelle an kleine und mittelständische Unternehmen“, erklärt Reißel im IHK-Magazin Aachen (Ausgabe Januar/Februar 2025). „Super viele Individualisierungen treiben die Kosten hoch, ein solches Produkt wäre dann unerschwinglich.“

Besonderes Augenmerk legt das Unternehmen auf Datenschutz. „Wichtig dabei: Wir trainieren keine KI-Modelle auf Basis von Kundendaten, sondern wir setzen auf eine Technik, die sich Retrieval Augmented Generation nennt. Das ermöglicht uns, komplett DSGVO-konform und unter Berücksichtigung aller bestehenden Zugriffsrechte Ergebnisse anzuzeigen“, betont das Unternehmen in seinem Produktvideo.

Bastian Maiworm, einer der Mitgründer, unterstreicht diesen Aspekt in einem Fachartikel bei vertriebszeitung.de: „Besonders relevant ist die Frage, ob personenbezogene Daten für das Training der KI-Modelle genutzt werden und wie die Rechte an den generierten Inhalten geklärt sind.“

Vom Wissensmanagement zur KI-gestützten Automatisierung

Mit der neuen Finanzierung will amberSearch seine Technologie weiterentwickeln. „All diese jetzt schon vorhandenen Vorteile werden wir in Zukunft mit Hilfe unserer Investmentrunde noch deutlich ausbauen“, kündigt Reißel an. „Wir werden den Weg gehen hin zu einer vollvernetzten KI-Plattform, die prädiziert, was die nächsten logischen Arbeitsschritte sind, und diese prädiktiv für die Mitarbeiter mit Hilfe von KI-Agenten ausführt, vorschlägt und assistiert.“

Die Technologie könnte insbesondere für den demografischen Wandel wichtig werden. „Gerade auch in Anbetracht des demografischen Wandels wird es immer wichtiger, dieses Wissen für andere auffindbar und erlebbar zu machen“, betont Reißel.

Cointurk Finance zitiert Reißel mit den Worten: „amberSearch überbrückt diese Lücke mit einer Plug-and-Play-Architektur, die minimale IT-Expertise erfordert und so die Einstiegshürde für die KI-Adoption senkt.“

Heilbronn als Katalysator

Die Verbindung zu Heilbronn bleibt für amberSearch auch nach dem AI Founders Programm wichtig. Die geografische Nähe zu mittelständischen Unternehmen macht die Region zu einem idealen Testfeld für die Technologie.

Mit aktuell über 200 Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz, darunter namhafte Unternehmen wie RSM-Ebner Stolz, Schüßler-Plan und Zentis, scheint der Ansatz zu funktionieren. Die digitale Schatzkarte für den Mittelstand, die über Heilbronn ihren Weg in die Unternehmenswelt gefunden und sich neue Netzwerke zu weiteren Gründern erschlossen hat, könnte mit der neuen Finanzierung zum Standard für europäische Unternehmen werden.

Für das KI-Ökosystem Heilbronn bedeutet der Erfolg von amberSearch einen weiteren Beleg dafür, dass die Stadt sich erfolgreich als Standort für innovative KI-Startups etabliert. Die Verbindung aus mittelständisch geprägter Wirtschaftsstruktur, Bildungseinrichtungen und gezielter Startup-Förderung schafft offenbar ein Umfeld, in dem praxisnahe KI-Lösungen gedeihen können.

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