Von Robert Mucha, Foto: IPAI
Während andere Städte noch über Smart City-Konzepte diskutieren, erschafft das IPAI in Heilbronn bereits den Zwilling seiner Zukunft. Das IPAI präsentiert einen digitalen Prototyp, der nicht nur das geplante KI-Zentrum abbildet, sondern auch zeigt, wie sich physische und virtuelle Welten verschmelzen lassen.
Es ist ein seltsamer Gedanke: In Stuttgart steht ein Mann vor einem Bildschirm und wandelt durch ein Gebäude, das noch gar nicht existiert. Er interagiert mit Robotern, die noch nicht gebaut wurden, und plant Konferenzen in Räumen, die sich noch im Stadium der Architektenzeichnung befinden. Was klingt wie ein Science-Fiction-Szenario, ist die Realität des digitalen Zwillings, den das IPAI erstmals auf der Konferenz „Virtuelle Welten – Chancen im Metaverse erleben“ präsentiert hat.
Der digitale Zwilling ist mehr als nur eine hübsche 3D-Darstellung des geplanten KI-Campus in Heilbronn. Er ist die Blaupause für eine neue Art des Gebäudemanagements, bei dem Sensordaten, Geobasisinformationen und Gebäudedaten so integriert werden, dass komplexe Zusammenhänge simuliert und Prognosen getroffen werden können. Ein Kontrollzentrum für einen Campus, der ab Ende 2025 auf 30 Hektar Fläche 5.000 Menschen Arbeitsplätze rund um das Thema KI bieten soll.
„Der digitale Zwilling ist die Visualisierung unserer Vision hinter IPAI“, erklärt CEO Moritz Gräter. „Ein kollaboratives System, auf das alle Nutzenden gleichermaßen Zugriff haben, Daten erheben, teilen und verwenden können, um ihre Transformation voranzubringen.“ Es ist ein Ansatz, der typisch ist für das IPAI-Konzept: Die Technologie nicht als Selbstzweck begreifen, sondern als Werkzeug für kollaborative Innovation.
Die Idee dahinter ist bestechend: Statt auf Vermutungen und Erfahrungswerte zu setzen, soll der digitale Zwilling kontinuierlich Daten aus der realen Welt sammeln und diese für Optimierungen nutzen. Energieverbrauch reduzieren, Wartungsintervalle optimieren, Ressourcen effizienter einsetzen – all das wird möglich, wenn das virtuelle Abbild des Campus permanent mit seinem physischen Pendant kommuniziert.
Besonders interessant wird es, wenn man bedenkt, wer Zugriff auf diesen digitalen Zwilling erhalten soll: nicht nur die Campus-Betreiber, sondern auch die teilnehmenden Unternehmen und Institutionen. Sie sollen die gesammelten Daten für ihre eigenen Strategien nutzen können – ein Ansatz der geteilten Intelligenz, der dem kooperativen Charakter des IPAI entspricht.
Was in Heilbronn entsteht, könnte zum Modell für eine neue Generation von Gewerbeimmobilien werden. Gebäude, die sich selbst überwachen, optimieren und weiterentwickeln. Campus-Anlagen, die nicht nur Arbeitsplätze bereitstellen, sondern als intelligente Ökosysteme funktionieren, in denen Daten genauso wichtig sind wie Büroräume.
Der Prototyp, der in Stuttgart vorgestellt wurde, ist dabei erst der Anfang. Das IPAI plant, den digitalen Zwilling sukzessive weiterzuentwickeln – parallel zum Bau des physischen Campus. Ein Lernprozess, bei dem die virtuelle und die reale Welt Hand in Hand wachsen.
Die Veranstaltung in Stuttgart, organisiert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, war der passende Rahmen für diese Präsentation. Unter dem Titel „Virtuelle Welten – Chancen im Metaverse erleben“ ging es genau um die Frage, wie sich physische und digitale Realitäten sinnvoll verbinden lassen.
Für Heilbronn ist der digitale Zwilling ein weiterer Baustein in der Transformation zur KI-Stadt. Nach dem Bildungscampus, der experimenta und den verschiedenen Forschungsinstituten entsteht nun ein Campus, der von Anfang an digital gedacht ist. Ein Ort, an dem nicht nur über künstliche Intelligenz geforscht wird, sondern der selbst als intelligentes System funktioniert.
Gräter spricht von der „gemeinsamen Heimat für menschzentrierte Künstliche Intelligenz“, die „an der Schnittstelle zwischen physischer und virtueller Welt“ entstehen soll. Es ist eine Vision, die über das hinausgeht, was man normalerweise von Gewerbeimmobilien erwartet. Hier soll ein Ort entstehen, der nicht nur Arbeitsplätze bietet, sondern als Organismus funktioniert – überwacht, optimiert und gesteuert von seinem digitalen Doppelgänger.
Ob diese Vision aufgeht, wird sich zeigen, wenn der Campus Ende 2025 tatsächlich Gestalt annimmt. Dann wird sich herausstellen, ob der digitale Zwilling hält, was er verspricht – und ob Heilbronn damit einen neuen Standard für intelligente Arbeitsumgebungen setzt.