Von Robert Mucha, Foto: TUM
In einem Hörsaal am TUM Campus Heilbronn wird künftig eine neue Art des Wirtschaftens gelehrt: Controlling mit künstlicher Intelligenz. Eine Stiftung ehrt damit einen Mann, der das moderne Controlling erfunden hat – und zeigt, wie Wissenschaft über den Tod hinaus wirkt.
Es gibt Momente in der Wissenschaftsgeschichte, die erst Jahre später ihre volle Bedeutung entfalten. Als Péter Horváth in den 1970er Jahren an der Universität Stuttgart seine Ideen zum Controlling entwickelte, ahnte niemand, dass aus seinen Theorien eine ganze Disziplin entstehen würde. Heute, mehr als zwei Jahre nach seinem Tod, kehrt sein Geist in neuer Form zurück – nach Heilbronn, an einen Ort, der selbst ein Symbol der Transformation ist.
Die Péter Horváth Stiftung hat eine neue Professur für „Controlling und AI“ am TUM Campus Heilbronn gestiftet, eine Verbindung, die auf den ersten Blick überraschen mag. Controlling – jenes nüchterne Handwerk der Zahlen und Kennziffern – trifft auf künstliche Intelligenz, die revolutionärste Technologie unserer Zeit. Doch bei genauerer Betrachtung ist es eine logische Entwicklung.
Professor Reinhold Mayer, Vorsitzender der Péter Horváth Stiftung, erklärt die Beweggründe: „Péter Horváth war immer ein Vordenker und Pionier auf dem Gebiet des Controllings. Er wäre mit großer Begeisterung an das Thema Controlling und AI herangegangen. In seinem Sinne wollen wir das Thema durch eine Stiftungsprofessur fördern.“ Es ist ein bemerkenswertes Bekenntnis zur Kontinuität in einer Zeit des permanenten Wandels.
Horváth, geboren 1937, gestorben 2022, war mehr als nur ein Hochschullehrer. Er war ein Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Praxis, ein Mann, der erkannte, dass Unternehmen neue Instrumente brauchten, um in einer komplexer werdenden Welt zu navigieren. Seine Theorien zum Controlling revolutionierten die Art, wie Unternehmen ihre Leistung messen und steuern.
Die neue Professur soll nun diese Tradition fortsetzen und gleichzeitig völlig neue Wege beschreiten. Denn Controlling unterliegt selbst dem digitalen Wandel. Was früher mühsam von Controllern in Excel-Tabellen zusammengetragen wurde, kann heute von Algorithmen in Echtzeit analysiert werden. Die Professur wird daher „Controlling- und Führungsprozesse in Unternehmen ganzheitlich untersuchen und lehren sowie neue Konzepte und Methoden entwickeln“, mit besonderem Fokus auf künstliche Intelligenz.
TUM-Präsident Professor Thomas F. Hofmann dankt der Stiftung für das „große Vertrauen“ und betont: „Die Zukunft Deutschlands als Wirtschaftsstandort hängt davon ab, dass Unternehmen die digitale Transformation erfolgreich gestalten. Mit ihrer Forschung und der Ausbildung talentierter Nachwuchskräfte wird die neue Professur dafür wichtige Grundlagen liefern.“
Es ist eine Aussage, die den Druck spürbar macht, unter dem die deutsche Wirtschaft steht. Während amerikanische und chinesische Unternehmen mit KI-Anwendungen Märkte erobern, kämpft Deutschland noch immer darum, den Anschluss nicht zu verlieren. Die neue Professur ist ein kleiner, aber wichtiger Baustein in diesem Wettlauf.
Der TUM Campus Heilbronn, finanziert von der Dieter Schwarz Stiftung, biete die „besten Voraussetzungen“ dafür, wie Hofmann betont. Hier verbinde die TUM „Betriebswirtschaftslehre und Informatik, um die digitale Transformation der Unternehmenswelt zu erforschen und zu lehren.“ Eine Symbiose, die in Deutschland noch immer selten ist, in Heilbronn aber zur DNA der Institution geworden ist.
Professor Christoph Kaserer, Dekan der TUM School of Management, sieht in der neuen Professur eine weitere Bestätigung für den „TUM Campus Heilbronn als AI- und Data-Science-Hub.“ Es ist ein Anspruch, der noch vor wenigen Jahren vermessen geklungen hätte für eine Stadt, die primär für Wein und Industrie bekannt war.
Die Péter Horváth Stiftung, 2002 von dem Controlling-Pionier selbst gegründet, versteht sich als Förderin von „Wissenschaft, Kunst und Kultur sowie der Völkerverständigung.“ Im wissenschaftlichen Bereich unterstützt sie „anwendungsorientierte Forschung in der Wirtschaftswissenschaft“ mit Fokus auf Nachwuchsförderung. Ein Auftrag, der mit der neuen Professur eine zeitgemäße Interpretation erfährt.
Was in Heilbronn entsteht, ist mehr als nur eine weitere Professur. Es ist ein Experiment in der Verschmelzung von Tradition und Innovation, von bewährten Controlling-Methoden und revolutionären KI-Technologien. Die Forscher werden „eng mit Praktikern zusammenarbeiten“, sowohl in der KI-Entwicklung als auch mit potenziellen Nutzern.
In einem der modernen Hörsäle am TUM Campus Heilbronn werden künftig Studierende lernen, wie künstliche Intelligenz das Controlling verändert. Sie werden Algorithmen entwickeln, die Unternehmensdaten analysieren, Trends erkennen und Empfehlungen aussprechen. Es ist eine neue Form des Controllings, die Péter Horváth fasziniert hätte.
Der Pionier des deutschen Controllings ist tot, aber sein Geist lebt weiter – in einer Zeit und an einem Ort, die er selbst nicht mehr erleben konnte, aber die er mit seinen Ideen mitgeprägt hat. In Heilbronn, wo Tradition und Zukunft aufeinandertreffen, wo eine Stiftung das Andenken an einen Visionär ehrt, indem sie neue Visionen ermöglicht.