Der digitale Ernährungscoach aus dem Kassenbon

Von Robert Mucha, Foto: ChatGPT/Robert Mucha

Wie eine Heilbronner Forscherin durch die Analyse von Einkaufsdaten unser Konsumverhalten entschlüsselt – und Wege aufzeigt, wie wir unsere Supermarkt-Apps zu persönlichen Gesundheitsberatern umfunktionieren könnten.

Manchmal verrät der Einkaufswagen mehr über uns als ein ausführliches Tagebuch. Die Schokoladentafel, die es immer wieder ins Körbchen schafft. Die Tiefkühlpizza als treue Begleiterin stressiger Arbeitstage. Der gute Vorsatz in Form von Brokkoli und Quinoa, der dann doch im Kühlschrank langsam vor sich hin welkt.

An der DHBW Heilbronn hat Sabrina Antor, Forscherin und Ernährungswissenschaftlerin, diese digitalen Spuren unseres Einkaufsverhaltens einer genauen Analyse unterzogen. Sechs Monate lang wertete sie die digital gespeicherten Kassenbelege einer vierköpfigen Familie aus, wie die DHBW Heilbronn in ihrer aktuellen Forschungsmitteilung berichtet.

Die Studie bietet einen faszinierenden Einblick in eine Zukunft, in der der digitale Kassenbon mehr als nur eine umweltfreundliche Alternative zum Thermopapier sein könnte – nämlich ein wertvolles Instrument für eine bewusstere Ernährung. Die erhobenen Daten wurden in eine Datenbank übertragen und mit Nährwertangaben ergänzt, um den sogenannten Food Safety Agency-Nutrition Profiling System-Dietary Index zu berechnen.

„Unsere Daten sollten uns mehr wert sein“, betont Studienautorin Antor in der Mitteilung. „Bislang werden in den Apps der Einzelhändler zahlreiche Kundendaten erfasst, aber die Verbraucher profitieren lediglich von allgemeinen Rabatten oder Coupons. Das Thema Ernährung spiegelt sich bisher meist nur in generischen Rezeptvorschlägen wider.“

Die Vision, die Antor entwickelt, ist bestechend einfach: Warum nicht die ohnehin erfassten Daten nutzen, um Verbrauchern ein direktes Feedback zu ihrem Einkaufsverhalten zu geben? Eine grafische Darstellung könnte zeigen, wie sich die gekauften Produkte in den DGE-Ernährungskreis (die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung) einfügen. Eine Art digitaler Ernährungsberater, der im Hintergrund mitdenkt und sanft auf Lücken hinweist: zu wenig Gemüse, zu viel Fleisch, kaum Vollkornprodukte.

Natürlich hat die Methode ihre Grenzen, wie die Studie klar herausstellt. Einkaufsdaten erfassen nicht den kompletten Lebensmittelkonsum, da Restaurantbesuche oder der Einkauf beim lokalen Bäcker nicht berücksichtigt werden. Auch kann die Methode nicht zwischen Vollkornbrot und Toastbrot unterscheiden – beide landen in derselben Kategorie, obwohl sie sich in ihrem Nährwertprofil deutlich unterscheiden.

Und doch könnten solche einfachen Visualisierungen einen erheblichen Einfluss auf unser Einkaufsverhalten haben. Die Forschung zeigt, dass Ernährungsinformationen direkt am Point of Sale durchaus wirksam sein können. Ein Soll-Ist-Vergleich mit dem DGE-Ernährungskreis könnte Kunden auf einen Blick verdeutlichen, ob genug Obst und Gemüse im Einkaufswagen landen oder ob bei Fleisch- und Wurstwaren etwas zu großzügig zugegriffen wurde.

Der nächste logische Schritt wären dann KI-gestützte Analysen für individuelle Kaufempfehlungen. Die App würde nicht mehr nur generische Angebote unterbreiten, sondern auf die persönlichen Ernährungsziele zugeschnittene Vorschläge machen. Der Kraftsportler bekäme proteinreiche Optionen angezeigt, während die Veganerin Empfehlungen für bestimmte Tofu-Produkte erhielte.

„Der neue und bundesweit einzigartige Studiengang Personalisierte Ernährung spannt genau diese Brücke zwischen Digitalisierung, Ernährung und Gesundheit“, erklärt Professorin Dr. Katja Lotz, Forschungsleiterin und Initiatorin des Studiengangs. „Unsere Studierenden lernen, wie digitale Tools eingesetzt werden können, um gesund zu bleiben und die Lebensqualität zu erhöhen.“

In einer Zeit, in der laut einer Umfrage der mhplus Krankenkasse 77 Prozent der Befragten angeben, sich gesünder ernähren zu wollen, könnten solche digitalen Helfer genau den entscheidenden Unterschied machen. Sie würden die abstrakte Idee einer gesunden Ernährung in konkrete, alltagstaugliche Handlungsempfehlungen übersetzen.

Die Heilbronner Studie, die auch als Short-Paper in der Ernährungsumschau erschienen ist, zeigt einmal mehr, wie die Region rund um den Bildungscampus zum Innovations-Hotspot wird. Hier werden nicht nur technische Lösungen entwickelt, sondern auch ihre konkreten Anwendungen im Alltag erforscht.

Der digitale Kassenbon – bisher vor allem als umweltfreundliche Alternative zum Papierbeleg diskutiert – könnte so zum Schlüssel für ein neues Ernährungsbewusstsein werden. Ein unscheinbares Stück Technologie, das uns hilft, unsere guten Vorsätze endlich in die Tat umzusetzen. Und der Brokkoli? Der landet vielleicht tatsächlich mal auf dem Teller, statt im Bio-Müll.

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