In Heilbronn wird Zukunft gemacht

Von 42 Heilbronn, Foto: Privat

Anfang 2022 startet Lukas Kreuzer als Senior Software Engineer am Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSI) in Heilbronn. Mit Professor Heiner Lasi einigt er sich darauf, auch an der 42 als Student zu starten – obwohl er zuvor bereits eine dreijährige Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung absolviert hat. Ein Interview über grenzüberschreitende Kooperationen, leidenschaftliches Coden und das FSI als Krisengewinner.

Heiner, warum interessierst Du Dich überhaupt für die 42 Heilbronn?

Heiner: Die 42 ist aus meiner Sicht ein innovatives Bildungskonzept mit drei spannenden Charakteristika. Erstens lernen die Studierenden das Coden von der Pike auf. Zweitens hat die 42 stets die Praxis im Blick, wie ich es von anderen Hochschulen nicht kenne. Und drittens zieht die 42 Macher an – diese Kombination ist ziemlich einzigartig. Bei Lukas können wir die Entwicklungsschritte, die diese Ausbildung mit sich bringt, quasi live verfolgen. Er hat in den vergangenen zwei Jahren Hard- und Softskills erworben, die für uns von unglaublichem Nutzen sind: Er denkt viel vernetzter, hat einen enormen Willen, Dinge einfach auszuprobieren und überlegene Lösungen zu finden. Lukas, entschuldige, dass ich jetzt so über Dich spreche… 

Lukas: Aber das stimmt schon! Bei der 42 habe ich das Coden quasi noch mal neu gelernt. Schon die Piscine war ein Aha-Erlebnis. In den vier Wochen habe ich mehr gelernt als in der dreijährigen Ausbildung zuvor. Meine Codes sind viel effizienter und sauberer geworden. Vor allem aber lernt man, Probleme anzugehen. An der 42 heißt es einfach: Programmiere ein 2D-Spiel, programmiere ein Shell – ohne vorher einen Lösungspfad aufgezeigt zu haben. Also fängt man selber an, das Problem runterzubrechen und gemeinsam mit den Peers Lösungen zu entwickeln. Wo ich mich vorher an Standards gehalten habe, suche ich jetzt nach neuen Wegen. 

Hat dieser Ansatz auch eine übergeordnete Bedeutung?

Heiner: Auf jeden Fall! Man muss selbstkritisch feststellen, dass Wissenschaft vielfach selbstreferenziell arbeitet. Wir werden die Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft aber nur dann schaffen, wenn wir konzeptionelle Grundlagen mit Umsetzungskompetenz verknüpfen. Die echten Probleme sind vielschichtig und können nur interdisziplinär gelöst werden. Die 42 zeigt, wie das geht. Die Studierenden und Absolventen können vielfach die wichtige Scharnierfunktion ausfüllen. 

Kannst Du ein Beispiel nennen?

Heiner: Auf der Eltefa – der Stuttgarter Fachmasse für Elektrotechnik, Energie, Gebäude und Industrie – haben wir 2023 einen einmaligen Hackathon durchgeführt. Handwerksmeister, Elektrotechniker und 42ler haben da anderthalb Tage konkrete Lösungen für eine bessere Energiesteuerung und optimales Lastmanagement erarbeitet. Hardware wurde implementiert, Schnittstellen geschaffen und Algorithmen geschrieben. Das war großartig! Niemand hat erklärt, warum etwas nicht geht, sondern alle haben mit ihrem spezifischen Wissen daran gearbeitet, die besten Lösungen zu finden. Nach der Ergebnispräsentation haben die Handwerkskammer und die beteiligten Unternehmen wie Siemens den Hut gezogen. Ein Mittelständler meinte zu mir, dass in der kurzen Zeit mehr erreicht worden sei als in seinem Unternehmen innerhalb von zwei Jahren. Das zeigt: Offenheit und grenzüberschreitendes Arbeiten lohnen sich. Und die 42ler haben dabei eine ganz wichtige Rolle gespielt: Ohne sie hätte es am Ende nur Powerpoint-Charts mit Aussagen gegeben, was man theoretisch vielleicht erreichen könnte.

Du warst bei der Messe dabei. Würdest Du das als eines Deiner Highlights beschreiben? 

Lukas: Es stimmt schon, in Stuttgart sind tolle Sachen entstanden. Aber auf die Frage nach einem Highlight bei der 42 kann ich keinen einzelnen Moment benennen. Es ist vielmehr das Lebens- und Arbeitsgefühl insgesamt. Diese intensiven Wochenenden, wo man gemeinsam mit anderen Peers 30, 40 Stunden am Stück Projekte durchzieht. Wo die Köpfe echt glühen und man am Ende mega glücklich ist, weil man eine schwierige Aufgabe zusammen gemeistert hat. Sowas kannte ich zuvor nicht. 

Diese Teamarbeit ist etwas Besonderes?

Lukas: Absolut. An der 42 kann ich über Slack eine Frage stellen und bekomme sehr gute Antworten. Und zwar ziemlich schnell. Bei meinem alten Arbeitgeber haben wir natürlich auch mit Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet. Aber das war anders. Die Stimmung war angespannter, es fühlte sich eher nach Fließbandarbeit an. Letztlich fehlte vielfach auch der Wille, sich wirklich durchzubeißen und Neues auszuprobieren.

Woran arbeitest Du am FSI?

Lukas: Generell unterstütze ich von der Konzeptionierung bis zur Implementierung von IT-Lösungen, vielfach bei IoT-Projekten. Ein konkretes Projekt läuft mit dem Heilbronner Versorger HNVG. Das Ziel lautet, die Wasserversorgung deutlich besser als bisher zu monitoren. Die Technik ist in Form von Sensorik und smarten Wasseruhren längst da. Aber es fehlt das optimale Zusammenspiel und ein Weg, die Daten rechtssicher sowie datenschutzkonform zu übermitteln – und zwar so, dass es nicht nur im Labor, sondern auch in der Praxis funktioniert. 

Nochmal das Stichwort Praxis: Wie empfindest Du als Wissenschaftler das Zusammenspiel mit der Wirtschaft in Heilbronn?

Heiner: Hier entsteht gerade ein ganz tolles Biotop, weil ganz viele Menschen grenzüberschreitend denken und arbeiten. Hinzu kommt eine neue Offenheit seitens der Wirtschaft. Noch vor zwei Jahren hatten die Unternehmen nur begrenzt Lust, sich mit neuen, digitalen Themen zu beschäftigen. Die Auftragsbücher waren voll, die hatten genug um die Ohren. Jetzt ist die Situation weitgehend anders. Viele müssen sich überlegen, wie sie zukunftsfähig werden. Wie sie sich im Wettbewerb positionieren und wo sie Wertschöpfung erbringen wollen – und plötzlich interessieren sie sich für unsere Konzepte. So gesehen gehören wir zu den Krisengewinnern.