Die DHBW-Lehrfirma Culinary Coffee zeigt, wie Gründen geht. Studierende dürfen die Marke entwickeln, den Kaffee produzieren und auch vertreiben. Das Projekt könnte Vorbild für andere Hochschulen sein.
Von Jennifer Schnell Foto: Privat
Von der Idee, Kaffee zu vertreiben, über die Entwicklung eines Businessplans bis zu Röstung, Vertrieb und Verkauf: Das alles können Studierende der DHBW Heilbronn bei der Lehrfirma Culinary Coffee selbst in die Hand nehmen. Seit 2016 gibt es die Genossenschaft mit inzwischen 180 Mitgliedern.
Wie kam Carsten Kortum, der gemeinsam mit seinem Kollegen Ralph Scheubrein den Vorstand innehat, vor sechs Jahren auf die Idee? “Unsere dual Studierenden sind die Hälfte der Studienzeit in Unternehmen – dort können sie allerdings meist wenig ausprobieren. Culinary Coffee ist also eine Art Feldexperiment, bei dem sich die Studierenden kreativ austoben und auch mal Fehler machen können”, sagt er.
So haben die Studierenden etwa Logo und Website gestaltet, sie können sich bei der Röstung der rohen Kaffeebohnen und Planung von Events oder beim Bespielen der Social- Media-Kanäle einbringen. Sogar eigenes Merchandise hat die Marke inzwischen – Culinary Coffee Pullover etwa oder einen wiederverwendbaren Kaffeebecher.
Dass alles handgemacht ist, zeigen unter anderem die Namen der Kaffeesorten: Bildungsbohne, Volle Dröhnung und Neckarplörre haben die Studierenden ihre Röstungen getauft.
Und wie trägt sich das Unternehmen? “Wir finanzieren uns größtenteils über die einmaligen Beiträge für neue Mitglieder der Genossenschaft. Und unser wichtigster Absatzkanal sind unsere acht Kaffeemaschinen, die am Campus verteilt stehen”, erklärt Kortum. Zudem beliefern sie die Bäckerei-Filiale Härdtner am Bollwerksturm und setzen zum Beispiel für Jubiläen von Kunden Spezialeditionen mit eigenem Logo um. Mit Erfolg: Culinary Coffee hat in diesem Jahr bereits 35.000 Euro Umsatz gemacht.
Gewinn des Landeslehrpreises
Ende 2019 hat die Lehrfirma den mit 50.000 Euro dotierten Landeslehrpreis erhalten. Gewinn und Preisgeld werden direkt ins Geschäft reinvestiert. Zum Beispiel reisen die Studierenden einmal im Jahr für eine Exkursion nach Hamburg unter anderem ins Kaffeemuseum. Die Reisekosten werden für Mitglieder dann komplett bezahlt. Und warum gerade Kaffee vertreiben? Zu Beginn habe es eine Abstimmung gegeben, bei der sich Kaffee knapp gegen Alkoholika durchgesetzt hat.
“Der Tenor der Studierenden war: Wir brauchen besseren Kaffee bei uns an der Hochschule”, erzählt Carsten Kortum. Außerdem sei Kaffee ein dankbares Produkt, da die Röstung laut dem 54-Jährigen relativ unkompliziert sei. Zwei Arten von Maschinen stehen Studierenden zur Auswahl: eine vollautomatische Siemens-Röstmaschine, die mittels Temperaturverlauf funktioniert. Und eine alte Maschine, bei der die Bohnen noch von Hand geröstet und der Röstgrad stetig überprüft werden muss. Dieser entscheidet über die Stärke des Kaffees – Espresso-Bohnen werden stärker geröstet als klassischer Röstkaffee. Kortum warnt jedoch und lacht: “Nach Espresso kommt Holzkohle.” Man darf die Bohnen also nicht zu lange erhitzen.
Aktuell wirken 41 Studierende im Wahlfach Business Development bei Culinary Coffee mit. Ziel sei es künftig, das Modul fest im Curriculum zu verankern. “Das Tolle am Wahlfach ist: Durch die Geschäftsentwicklung, das Schreiben von Businessplänen und den Pitch lernt man quasi das Gründer-Einmaleins”, wirbt Kortum für die Lehrfirma. Der Neuensteiner ist überzeugt: “Selbst Teetrinker würden sich in dem Projekt wiederfinden.”
Wissenslücke schließen, Gründergeist fördern
Satte 42 Prozent der Studierenden interessieren sich an der DHBW Heilbronn für das Thema Gründen. “Die Motivation, zu gründen, ist da. Was fehlt, ist häufig das Wissen dazu. Diese Lücke wollen wir schließen”, sagt der Studiengangsleiter für BWL-Handel. Die hohe Nachfrage nach dem Kaffee der Studierenden gibt ihm recht: “Wir haben das Luxusproblem, dass wir gar nicht so viel produzieren können, wie nachgefragt wird.” Schließlich rösten die Studierenden die rohen Kaffeebohnen selbst – und: “Ich kann sie ja schlecht während den Vorlesungen rösten lassen”, sagt Kortum und lacht.
Seit einem Jahr gibt es noch eine weitere Lehrfirma an der DHBW: Bei Culinary HNY wird selbstgemachter Honig vertrieben. 4500 Bienen sammeln diesen auf dem Dach der Hochschule. Dafür haben die Studierenden sogar eine Bio-Zertifizierung gemacht – auch wenn diese so teuer ist, dass sich das finanziell laut Kortum gar nicht lohne. Es gehe eben vor allem darum, dass die Studierenden praxisnah etwas lernen. Und das funktioniert.
Daher ist Carsten Kortum auch davon überzeugt, dass jede Hochschule in Deutschland mit BWL-Studiengängen eine eigene studentische Lehrfirma gründen sollte. “In den USA sind sogenannte Student Run Businesses schon sehr viel mehr verbreitet. Die Idee ist daher auf jeden Fall, das Konzept auch in Deutschland weiterzutragen. Die Uni Tübingen übernimmt das Modell schon – das freut mich sehr.”
Mit freundlicher Genehmigung der Stimme Mediengruppe & der Heilronner Stimme