Für mehr Gleichstellung in der deutschen Hochschullandschaft

Wie sich die Gleichstellungsbeauftragten Saskia-Nicole Reinfuss (Hochschule Heilbronn) und Yvonne Zajontz (DHBW Heilbronn) für Frauen auf dem Bildungscampus stark machen.

Von Lisa Könnecke, Foto: Mario Berger

Dynamisch. Hervorragend. Beispiellos. Weiblich: Die goldenen Buchstaben auf dem Pulli mit DHBW-Logo sind nicht nur ein modischer Blickfang, vor allem haben sie Symbokraft. Sie zeigen, mit welchem Tatendrang und auch teilweise kreativen Projekten sich die Gleichstellungsbeauftragten Yvonne Zajontz (DHBW Heilbronn) und Saskia-Nicole Reinfuss (Hochschule Heilbronn) für Frauen in der Hochschullandschaft stark machen.

24,1 Prozent aller Professuren an den Universitäten Baden-Württembergs waren 2021 weiblich besetzt

Es gehe darum, Aufklärungsarbeit zu leisten, zu sensibilisieren und die Menschen zum Nachdenken anzuregen. Yvonne Zajontz beispielsweise hat nicht nur den Pulli entworfen, sondern auch Jute-Beutel, Karten oder einen Role-Model-Kalender, der zwölf DHBW-Professorinnen portraitiert, als Vorbilder für junge Wissenschaftlerinnen. “Wir brennen dafür. Es ist uns eine Herzensangelegenheit”, sagen die beiden Frauen über ihr Engagement. Wie dringlich das ist, zeigen jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Lediglich 24,1 Prozent aller Professuren an den Universitäten Baden-Württembergs waren 2021 weiblich besetzt.

“Gleichstellung ist kein Selbstläufer, sondern viel Arbeit”

In der Hochschule Heilbronn (HHN) sind Professorinnen mit 22,1 Prozent und Studentinnen mit 41,4 Prozent vertreten. An der DHBW Heilbronn sind zehn der 36 Professorenstellen mit Frauen besetzt, das entspricht einem Anteil von 27,7 Prozent. Bei den Studierenden liegt der Anteil bei 49,9 Prozent. “Es geht stetig bergauf, aber nicht so schnell, wie wir es uns wünschen”, sagt Yvonne Zajontz. “Gleichstellung ist kein Selbstläufer, sondern viel Arbeit” Wie eine Schallplatte, die immer und immer wieder aufgelegt werden müsse, ergänzt Saskia-Nicole Reinfuss.

Vor allem sei Geschlechtergerechtigkeit aber auch ein politisches und gesamtgesellschaftliches Thema, betonen die beiden Frauen, etwa mit Blick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Rahmenbedingungen müssten geändert oder angepasst werden, fordern sie.

“Woment” wird mittlerweile deutschlandweit adaptiert

Zahlreiche Projekte wurden schon ins Leben gerufen wie beispielsweise das Karriereförderprogramm Woment, ein Kooperationsprojekt vom Heilbronner Verein Wissensstadt, der HHN und der DHBW Heilbronn. Es bietet Studentinnen aller Heilbronner Hochschulen die Möglichkeit, Einblicke in den Berufsalltag einer Führungskraft aus Wirtschaft oder Wissenschaft zu erhalten und von deren Erfahrungen zu profitieren. Das Konzept sei so erfolgreich, dass es deutschlandweit adaptiert werde, freut sich Yvonne Zajontz. “Wir haben mehr Bewerberinnen als Plätze.” Auch auf die einmal im Jahr stattfindenden Frauenwirtschaftstage mit regionalen Workshops oder Vorträgen weisen Saskia-Nicole Reinfuss und Yvonne Zajontz hin.

Gremienarbeit, Gender Budgeting und Co.

Abgesehen davon gehe es auch darum, das Thema Geschlechtergerechtigkeit in die Lehre zu tragen, es in verschiedenen Gremien zu kommunizieren und im Rahmen des Gender Budgeting (auf Deutsch: gendergerechter Haushaltsplan) darauf zu achten, wohin die Gelder fließen.

Die HHN hat in Kooperation mit TWISE und TJSH außerdem die bisher größte wissenschaftliche Befragung zum Thema Jobsharing durchgeführt. Der Begriff Jobsharing steht für Arbeitsmodelle, in denen sich zwei oder mehrere in Teilzeit arbeitende Mitarbeiter im Tandem eine Vollzeitstelle teilen. Demnach beurteilen 92 Prozent aller befragten Führungskräfte von Tandems Jobsharing als produktiver. Die Studie ist unter anderem initiiert worden, weil Mitarbeitende in Deutschland eine Alternative zur traditionellen Vollzeit-Karriere brauchen.

“Wir kämpfen für Frauen, aber wir erkennen auch an, wenn ein Mann qualifizierter war”

Die Professorinnen wollen auch mit Vorurteilen aufräumen. “Beamtentum hat oftmals einen verstaubten Charakter. Wir arbeiten aber nicht bis spät in die Nacht. Auch wir haben Freizeit und Familie.” Man habe als Professorin viele Freiheiten. “Wir sprechen die Tage ab, an denen wir dozieren.”

So sehr Reinfuss und Zajontz für dieses Thema auch brennen – radikal wollen die Gleichstellungsbeauftragten nicht vorgehen, wie sie sagen. Das Berufungsverfahren etwa laufe nach dem Prinzip der Bestenauslese. “Wir kämpfen für Frauen, aber wir erkennen auch an, wenn ein Mann qualifizierter war.” Es gehe darum, für Vielfalt einzustehen und Hochschulen bunt zu machen.

Vor 100 Jahren wurde Margarete von Wrangell als erste Professorin an eine deutsche Hochschule berufen

Vor 100 Jahren wurde die Agrochemikerin Margarete von Wrangell als erste Professorin an eine deutsche Hochschule berufen. Als Professorin für Pflanzenernährung lehrte und forschte sie an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Auch wenn sich seither viel getan hat, gibt es Luft nach oben.

Professorinnen sind an deutschen Universitäten weiter stark unterrepräsentiert. Zu dieser Einschätzung kommt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Nur etwa jede vierte hauptberufliche Professur an den Hochschulen in Deutschland war im Jahr 2021 mit einer Frau besetzt – nämlich rund 27 Prozent. Mit knapp 13 700 Professorinnen liegt der Frauenanteil bei zirka einem Drittel. Am stärksten waren Professorinnen in den Geisteswissenschaften vertreten. Hier machten sie 42 Prozent aus. In den Ingenieurwissenschaften waren hingegen nur 19 Prozent der Professuren von Frauen besetzt.

Mit freundlicher Genehmigung der Stimme Mediengruppe & der Heilronner Stimme