Von Robert Mucha, Foto: Heilbronn Marketing GmbH
Der Bildungscampus wächst Richtung Innenstadt. Was das für eine Stadt bedeutet, die sich gerade neu erfindet, hat Tourismusexperte Christian Buer analysiert. Es geht um Wissenschaftszentren, Dönerläden und die Frage, wie man Studierende in die City lockt.
Die Wissenschaft macht sich auf den Weg in die Stadt. Wo heute noch Schwimmer ihre Bahnen im Soleo-Bad ziehen und Schlittschuhläufer ihre Runden drehen, werden bald Forschende der ETH Zürich arbeiten. Der Bildungscampus wächst – und mit ihm die Ambitionen der Wissensstadt Heilbronn.
„Das wird hier eine starke Nachfrage geben“, sagt Christian Buer im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. Der Professor leitet die Abteilung Tourismuswirtschaft an der Hochschule Heilbronn und ist Studiendekan Hotel and Restaurant Management. Er weiß: Eine Stadt verändert sich, wenn die Wissenschaft einzieht.
Zwar werde niemand nach Heilbronn kommen und Urlaub machen, nur weil die Stadt ein Wissenschaftszentrum ist, erklärt Buer nüchtern gegenüber stimme.de. „Selten fährt ja jemand deshalb nach München-Garching“, verweist er auf den Hightech-Campus der TU München. Aber die Stadt gewinnt etwas anderes: Menschen aus dem „gehobenen Bildungssektor“, wie der Professor es nennt, die Freunde und Bekannte mitbringen, die die experimenta besuchen, die Leben in die Stadt bringen.
Die große Frage dabei: Wie bekommt man die Studierenden von den Hörsälen in die Innenstadt? „Das könnte nun die Initialzündung sein, um die Menschen in die City zu locken“, sagt Buer der Heilbronner Stimme. Die Stadt hat reagiert: Im November 2024 beschloss der Gemeinderat einen Acht-Punkte-Plan „Aufbruch Innenstadt“ – inklusive Millionen-Fonds für die Attraktivierung der City.
Es ist ein Balanceakt zwischen Tradition und Transformation. Während der Gemeinderat über Obergrenzen für Dönerläden und Barbershops diskutiert, denkt Buer bereits weiter. „Bei solchen Maßnahmen müsse man stets an die nächste Generation und deren Bedürfnisse denken“, gibt er gegenüber stimme.de zu bedenken.
Die Herausforderungen sind komplex. „Gastronomie am traumhaften Neckar könne eben dazu führen, dass sich Anwohner nachts über den Lärm beschweren“, skizziert der Tourismusexperte im Gespräch mit stimme.de die Interessenkonflikte einer wachsenden Wissenschaftsstadt.
Buer denkt dabei über Heilbronns Grenzen hinaus. Die Burgfestspiele in Jagsthausen, die Badewelt Sinsheim – die Region muss zusammenwachsen. „Die Entwicklung hin zu einer stärkeren touristischen Destination brauche Zeit, das sei kein Selbstläufer“, sagt er der Heilbronner Stimme.
Während also bald die letzten Schwimmer ihre Bahnen ziehen und die ETH Zürich ihre Labore plant, macht sich Heilbronn auf den Weg: Von der Stadt am Neckar zur Wissensstadt mit überregionaler Strahlkraft. Die Wissenschaft zieht ein – und mit ihr die Zukunft.