Von Robert Mucha, Foto: aim
„Kinder spielen ja nur den ganzen Tag“ – dieser Satz hat schon manchen Kita-Alltag unterschätzt. Doch hinter dem vermeintlich zweckfreien Herumtollen steckt ein komplexes Bildungssystem. Barbara Weber-Eisenmann, Kita-Leiterin und aim-Botschafterin, erklärt in ihrem Beitrag, warum Freispiel weitaus mehr ist als bloße Freizeitbeschäftigung. Es ist vielmehr ein fundamentales Recht, das in der UN-Kinderrechtskonvention verankert ist und als „Arbeit der Kinder“ die Basis für eine gesunde Entwicklung bildet.
Es gibt diesen Moment in jeder Kita: Die Bauklötze werden zu Türmen, die Spielküche zum Sternerestaurant und aus dem Stuhl wird ein Raumschiff. Freispiel in Aktion. Was für Außenstehende nach Chaos aussehen mag, ist in Wirklichkeit ein hochkomplexer Lernprozess.
Freispiel – der Begriff klingt nach Beliebigkeit, nach Laissez-faire. Doch wie Barbara Weber-Eisenmann in ihrem Beitrag für die aim-Blicke betont, ist es „weit mehr als einfach ’nur Spielen'“. Es ist ein zentrales Element der kindlichen Entwicklung, bei dem Kinder selbstbestimmt entscheiden, womit, mit wem und wie lange sie sich beschäftigen möchten.
Schule des Lebens auf vier Quadratmetern Spielteppich
Die Liste der Kompetenzen, die Kinder im Freispiel erwerben, liest sich wie ein ambitionierter Lehrplan: Kreativität, soziale Kompetenzen, Eigenverantwortung, Selbstständigkeit. „Kinder erleben, dass sie selbstwirksam sind und Entscheidungen treffen können“, erklärt Weber-Eisenmann, die neben ihrer Tätigkeit als Kita-Leitung auch Autorin ist und eine Tochter im Kindergartenalter hat.
Besonders interessant: Das Freispiel dient auch als natürlicher Stressabbau. In einer Zeit, in der selbst Kindergartenkinder oft einen durchgetakteten Terminkalender haben, bietet es einen Raum für Entspannung und Selbstbestimmung. Hier können Kinder ihren eigenen Interessen folgen und dabei persönliche Stärken und Talente entdecken.
Die Kunst der richtigen Rahmenbedingungen
Damit das Freispiel seinen vollen Wert entfalten kann, braucht es jedoch durchdachte Rahmenbedingungen. Weber-Eisenmann nennt drei Schlüsselbereiche:
Erstens: Zeit. Das klingt banal, ist aber im oft straff organisierten Kita-Alltag keineswegs selbstverständlich. „Diese Phasen sollten ausreichend lang sein, damit die Kinder tief in ihr Spiel eintauchen können“, betont die Expertin.
Zweitens: Raumgestaltung. Ein durchdachter Kita-Raum mit verschiedenen Themenecken und vielfältigen Materialien regt die Fantasie an und unterstützt eigenständiges Spielen. Besonders natürliche Materialien wie Holz oder Tücher erweisen sich dabei als Kreativitätsturbo.
Drittens: Die richtige Haltung der Erwachsenen. Fachkräfte sollten „den Kindern Raum für eigene Entscheidungen geben und lediglich beobachten oder unterstützend eingreifen“, erklärt Weber-Eisenmann. Eine Herausforderung für alle, die beim Anblick eines wackeligen Bauklotztürms am liebsten selbst Hand anlegen würden.
Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten
Die Vorteile des Freispiels erstrecken sich nicht nur auf die Kinder selbst. Auch für Fachkräfte ergeben sich wertvolle Chancen: Sie können die Kinder beobachten, ihre Interessen und Bedürfnisse besser verstehen und währenddessen gezielte Förderungen für einzelne Kinder durchführen.
„Das Freispiel ist also weit mehr als einfach ’nur Spielen'“, fasst Weber-Eisenmann zusammen. „Es ist ein wesentlicher Baustein für die gesunde Entwicklung von Kindern.“
Wer mehr über diesen und andere Ansätze einer bedürfnisorientierten Pädagogik erfahren möchte, kann Barbara Weber-Eisenmann auf der aim Biko 2025 erleben. In ihrem Workshop „Bedürfnisorientierung in der Kita“ geht sie der Frage nach, wie bedürfnisorientierte Konzepte in der Praxis umgesetzt werden können. Weitere Informationen dazu finden Interessierte unter www.aim-biko.de.
Bis dahin lohnt es sich, Barbara Weber-Eisenmann auch auf Instagram zu folgen: Unter dem Namen @frau_zauberschoen teilt sie regelmäßig Einblicke und praktische Tipps zur frühkindlichen Bildung.