Von Robert Mucha, Foto: Nico Kurth
Über 600 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik trafen sich zum ersten IPAI Experience Day in Heilbronn. Während anderswo über die Risiken Künstlicher Intelligenz debattiert wird, setzt Europas ambitioniertestes KI-Projekt auf die Verbindung von technologischem Fortschritt und menschlichen Werten. Eine Begegnung mit überraschend optimistischen Zukunftsdenkern.
“Wir sollten wieder lernen, Mensch zu sein”, sagt Dr. Rebekka Reinhard, Philosophin und Editorial Director des human Magazins, in einem vollbesetzten Saal der IPAI Spaces. Ihr Publikum: Führungskräfte von Porsche und Audi, Entwickler von Würth und der Schwarz Gruppe, Wissenschaftler und sogar Vertreter der Landespolizei. Sie alle sind nach Heilbronn gekommen, um über die Zukunft der Künstlichen Intelligenz nachzudenken. Und ausgerechnet hier, zwischen High-Tech-Demos und Innovationsversprechen, geht es plötzlich um die ganz großen Fragen: Was macht uns menschlich? Wie viel Perfektion brauchen wir? Und wann ist Technologie eigentlich gut genug?
Das Experiment beginnt
“Wir wollen die Menschen nicht nur in unser Wohnzimmer reinlassen”, hatte IPAI-CEO Moritz Gräter zu Beginn des Tages verkündet, wie die Heilbronner Stimme berichtete. Die gut 600 geladenen Gäste sollten einen Blick “in unser Herzstück” werfen können. Was folgte, war keine gewöhnliche Technik-Konferenz. Zwischen Virtual-Reality-Brillen und KI-gesteuerten Werkzeugerkennungssystemen diskutierten die Teilnehmer über ethische Grundsätze und europäische Werte.
“Ethische Fragen und Sicherheitsgedanken sind für uns ganz zentral”, betonte etwa Sabrina Krenzler vom Präsidium Technik der Polizei Baden-Württemberg gegenüber der Heilbronner Stimme. Die Polizei eröffnete an diesem Tag ihr neues Büro im IPAI – ein deutliches Signal, dass hier keine Technologie im Verborgenen entwickelt werden soll.
Zwischen Philosophie und Perfektion
In den Gängen der IPAI Spaces entstand dabei eine Atmosphäre, die man sonst eher von Start-up-Festivals kennt: Menschen, die sich kaum kennen, diskutieren angeregt über die Zukunft. “Was hier entsteht, ist ein Ökosystem, das Raum für einen branchenübergreifenden Wissensaustausch zu KI-Themen schafft”, erklärte Sandra Baethge, Managing Director der IWD market research GmbH, auf LinkedIn. “Gemeinsam kommen wir eben schneller voran.”
Diese Gemeinschaft scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Während die großen Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley ihre KI-Systeme hinter verschlossenen Türen entwickeln, setzt Heilbronn auf Offenheit und Dialog. “Inter ist tot”, hatte ein Fußballreporter einmal das vorzeitige Ausscheiden des italienischen Meisters kommentiert. “IPAI lebt”, könnte man nach diesem Tag sagen.
Die menschliche Note
Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut bezeichnete das IPAI in ihrer Eröffnungsrede als “Leuchtturm für die Welt”. Ein großes Wort. Aber vielleicht braucht es genau diese Ambitionen, um im globalen KI-Wettbewerb zu bestehen.
Dass dabei neben den Ingenieuren auch Philosophen eine wichtige Rolle spielen sollten, war einer der meistdiskutierten Vorschläge des Tages. Eine Art “Philosoph in Residence” könnte dem IPAI helfen, die ethischen Fragen der KI-Entwicklung noch systematischer zu bearbeiten.
Der optimistische Blick
Am Ende des Tages stehen die Teilnehmer in kleinen Gruppen zusammen, das Netzwerken geht in entspanntes Plaudern über. Die Stimmung ist überraschend optimistisch – gerade in Zeiten, in denen die deutsche Wirtschaft sonst eher mit gedämpften Erwartungen in die Zukunft blickt.
“Was treibt Innovation?”, hatte IPAI-Chef Gräter gefragt und gleich selbst die Antwort gegeben: “Menschen, die zusammenkommen und echte Beziehungen aufbauen.” An diesem Tag in Heilbronn konnte man sehen, wie das funktioniert. Vielleicht ist es genau das, was Europa im globalen KI-Wettbewerb voranbringen wird: Nicht die schnellsten Algorithmen oder die größten Datensätze, sondern der menschliche Faktor. Eine KI made in Heilbronn, die erst nachdenkt und dann rechnet.