Informatiker Tristan Behrens kreiert Programme, die auf Knopfdruck Musik erzeugen können – egal ob Heavy Metal, EDM oder Choräle im Stil von Johann Sebastian Bach. Den Menschen möchte der 41-Jährige beim Komponieren mit KI dennoch “nicht einfach herausrechnen”.
Von Christoph Feil, Foto: Andreas Veigel
“Die Künstliche Intelligenz ist nur in ihrer eigenen Welt”, sagt Tristan Behrens, “sie ist nie verliebt oder hat ein gebrochenes Herz.” Auch darum möchte der 41-Jährige den Menschen beim Komponieren von Musik “nicht einfach rausrechnen”. Selbst wenn Programme heute auf Knopfdruck in Sekundenschnelle mehrere Takte mit verschiedenen Tonspuren erzeugen – sei es nun Heavy Metal, elektronische Tanzmusik oder Choräle im Stil des Barock-Genies Johann Sebastian Bach.
“Die Interaktion mit Künstlicher Intelligenz ist etwas, das wir gerade lernen”, beobachtet der Informatiker aus Würzburg, dessen Steckenpferd die KI-generierte Musik ist und der derzeit für ein Jahr lang Artist in Residence des KI-Salons in Heilbronn ist. Als solcher soll er auf kreative Weise einem breiten Publikum erfahrbar machen, was das Thema KI bedeutet.
“Mein Auftrag”, sagt Tristan Behrens, “ist relativ überschaubar.” Drei Ausstellungsstücke muss er anfertigen. Auch Workshops mit Studierenden sind angedacht. Wie hoch sein Budget ist, möchte der KI-Komponist nicht sagen. Nur soviel: “Dieter Schwarz ist sehr großzügig.”
Zukunftsmusik: Wie die Songs von morgen entstehen könnten
Keine Idee mehr, sondern fast fertig ist Tristan Behrens erstes Ausstellungsstück: ein Programm, das er mit 400.000 Liedern gefüttert und darauf trainiert hat, elektronische Tanzmusik (englisch = Electronic Dance Music, kurz: EDM) zu generieren. Ausgehend von Wahrscheinlichkeiten berechnet es, welche Note auf die vorherige folgt. Auf einem Bildschirm soll das Programm dem Ausstellungsbesucher zugleich die einzelnen Arbeitsphasen transparent machen, die es braucht, bis man vier Takte mit fünf verschiedenen Tonspuren beziehungsweise Instrumenten hat. Und diese dann aneinanderreihen kann zu einem Musikstück von unterschiedlicher Länge. Wenn auch eines, das relativ monoton ist.
Nur eine Frage der Zeit ist für den gebürtigen Niedersachsen aber, dass KI auch “detaillierte Geschichten erzählen” kann, also Songs bastelt mit einem Intro, Outro, Refrain, Strophen und Übergängen. “Die Zukunft wird sein, dass wir alles bekommen: sehr viel von der KI generierter Content, dann immer noch die menschlich komponierte Musik und eine große Überschneidung”, so Behrens.
Kreativität und Imitation: Wem gehört KI-Kunst?
Die Musikmodelle nutzt er gerne als Ideenlieferanten, von denen immer noch er als Mensch das in seinen Augen beste Material herauspickt und weiterverarbeitet. Von Interaktion und Dialog mit der KI spricht Behrens deswegen, wenn es um die elektronische Musik seines Bandprojekts Hexagon Machine geht. Vier Alben sind auf diese Weise schon entstanden, davon drei veröffentlicht.
“Auch bei der menschlichen Kreativität ist sehr viel Imitation dabei”, findet der Vinylplatten-Fan und Yoga-Lehrer. Wem gehört KI-Kunst? “Da ist eine Technologie, die schafft vollendete Tatsachen. Da muss man als Künstler, Produzent, Verwerter darauf reagieren und das den Zeiten anpassen”, sagt Behrens mit Blick auf die Diskussion ums Urheberrecht. Er ist gegen eine zu strenge Regulierung, sieht zugleich aber die Chance, die Verwertung “auf ein neues Niveau zu heben”.
Welche Projekte sich Tristan Behrens für Heilbronn vorstellen könnte
In den vergangenen Wochen hat Behrens “reingespürt” in die Stadt, ist angetan von ihrer schönen Lage sowie der Offenheit der Einwohner. “Man kann es gar nicht mehr als Aufbruchstimmung bezeichnen, man hat schon eine gemeinsame Richtung eingeschlagen. Ich denke, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Heilbronn als KI-Standort europaweit bekannt ist”, prophezeiht der Fachmann.
Erfahren haben will er von einer Sammlung an Geräusch-Aufnahmen aus Heilbronn. “Mich reizt es, eine KI darauf zu trainieren, dass sie solche Sachen selbst generiert”, umreißt Behrens ein mögliches weiteres Projekt. Das Programm könnte dann etwa eine Audio-Kulisse erzeugen, die imitiert, “wenn man am Hauptbahnhof steht, wie das dort zehn Minuten lang klingt”. Umgekehrt kann sich Tristan Behrens vorstellen, Exponate auch in der Stadt zu platzieren, damit Passanten dort mit KI-Musik interagieren.
KI-Salon: Veranstaltungen, Workshops, Ausstellungen und mehr: Mit unterschiedlichen Angeboten an verschiedenen Standorten will der KI-Salon Heilbronn das Thema Künstliche Intelligenz einem breiten Publikum vermitteln. Dahinter stehen unter anderem die Dieter-Schwarz-Stiftung und die Programmierschule 42 Heilbronn.
Mit freundlicher Genehmigung der Stimme Mediengruppe & der Heilronner Stimme