Kann eine Maschine träumen?: Theater und experimenta suchen Antworten auf der Bühne

Von Redaktion, Foto: experimenta

Das vierte Festival „Science & Theatre“ bringt vom 19. bis 23. November internationale Produktionen nach Heilbronn – zwischen VR-Brillen, Roboterhunden und der Frage nach emotionaler KI

Die Frage klingt nach Philip K. Dick, ist aber hochaktuell: Können Maschinen träumen? Das Theater Heilbronn und die experimenta widmen ihr viertes gemeinsames Festival „Science & Theatre“ genau dieser Grenzüberschreitung. Vom 19. bis 23. November geht es um „Maschinenträume“ – und damit um emotionale KI, um das Verhältnis von Mensch und Maschine, um die letzte Bastion menschlicher Einzigartigkeit.

„Dringt die Künstliche Intelligenz nun auch auf das Feld der Psychologie und damit in jenen Bereich vor, in dem der Mensch bisher gegenüber der Maschine seine Unnachahmlichkeit behauptet hat?“, formuliert es die Ankündigung der experimenta. Die Antworten sucht das Festival nicht im Labor, sondern auf der Bühne – mit Produktionen aus Großbritannien, Spanien, Irland und Deutschland.

Den Auftakt macht am 19. November die deutschsprachige Erstaufführung von Laurent Gaudés „Die letzte Nacht der Welt“ im Science Dome. Das Siegerstück des dritten Dramenwettbewerbs entwirft eine Zukunft, in der der Nachtschlaf auf 45 Minuten reduziert wurde – aus rein wirtschaftlichen Gründen. Regisseur Elias Perrig inszeniert Gaudés Vision vom Menschen als Arbeitsmaschine, die Premiere ist zugleich Festivaleröffnung.

Technisch am weitesten geht wohl „LILITH.AEON“ der britischen Kompanie AΦE. Die Installation, die laut Mitteilung „zwischen Extended Reality (XR), Tanz und Künstlicher Intelligenz“ angesiedelt ist, erzählt von einer virtuellen Figur, die einem verstorbenen Menschen nachempfunden wurde. Inspiriert von der wahren Geschichte des jüngsten kryokonservierten Menschen – eines dreijährigen Mädchens. Jeweils 40 Zuschauer können sich um Liliths Kubus versammeln und mit ihr interagieren. „Jede Vorstellung ist einzigartig“, verspricht die Ankündigung. Sieben Jahre Forschung und künstlerische Arbeit stecken in dem Projekt.

Die irische Theatergruppe Dead Centre lässt in „To Be a Machine (Version 2.0)“ das Publikum per VR-Brille in fremde Leben eintauchen. 19 Zuschauer pro Vorstellung erleben, „wie es ist, sich in ein real scheinendes, aber fremdes Leben zu verirren“, heißt es in der Festivalbeschreibung. Wer teilnehmen will, muss bei der Buchung ein Porträtfoto einreichen – und die Karten bis zum 13. November kaufen.

Bodenständiger, aber nicht weniger faszinierend: „Der Sinn des Lebens“ von DieTanzKompanie bringt Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam mit einem KI-Roboter auf die Bühne. Choreograf Grégory Darcy war schon beim letzten Festival mit „Human Design“ Publikumsliebling. Diesmal liefert die Echo-Jazz-Preisträgerin Johanna Borchert die Live-Musik.

In „Replik_A“ von Meinhardt & Krauss tanzt der Mensch mit seinen artifiziellen Doppelgängern – „bevölkert von Puppen, Avataren und robotischen Humanoiden, die allesamt dem menschlichen Protagonisten wie aus dem Gesicht geschnitten sind“, beschreibt es die Ankündigung. Ein Uncanny Valley auf der Theaterbühne.

Die katalanische Gruppe Iron Skulls Co. bringt in „Famulus 4.0“ vier Tänzer und einen Roboterhund zusammen. „Spielerisch, herausfordernd, humorvoll“ soll die Performance sein, die sich mit technischer Abhängigkeit und emotionaler Bindung im digitalen Zeitalter beschäftigt.

Parallel läuft der vierte Dramenwettbewerb: 22 Einsendungen gingen ein, eine fünfköpfige Jury hat zwei Siegerstücke ausgewählt. Sie werden am 23. November in szenischen Lesungen „an ungewöhnlichen Orten im Theater“ präsentiert, wie es heißt. 10.000 Euro bekommt der Gewinner, das Stück wird im Juni 2026 im Science Dome uraufgeführt.

Am 22. November diskutiert eine Podiumsrunde die Frage „Können Maschinen träumen?“. Die Journalistin Eva Wolfangel moderiert das Gespräch über emotionale KI. Im Foyer der experimenta läuft während des gesamten Festivals der „KI-Spiegel“ – ein interaktiver Prototyp, bei dem man per Tastatureingabe sein Spiegelbild in David Bowie, den Pink Panther oder Donald Trump verwandeln kann.

Roman Eichs „Häufig gestellte Fragen zum Fortbestand der Menschheit“, beim Dramenwettbewerb 2023 zweitplatziert, feiert Uraufführung in der BOXX. Die KI LUCID hat sich darin zum Merkur begeben und baut eine Dyson-Sphäre aus Sonnenkollektoren – die der Erde das Sonnenlicht nimmt. „LUCID braucht die Menschen nicht und arbeitet ungerührt an der Zerstörung ihrer Schöpfer“, fasst die Ankündigung zusammen.

Für Heilbronn, das sich als KI-Standort positioniert, kommt das Festival zur richtigen Zeit. Während im IPAI und bei Campus Founders an der technischen Zukunft gearbeitet wird, stellt das Festival die philosophischen und ethischen Fragen. Was bedeutet es, wenn Maschinen Emotionen erkennen – oder gar haben? Wo verläuft die Grenze zwischen Mensch und Maschine? Und was passiert, wenn diese Grenze verschwindet?

Tickets kosten zwischen den regulären Theaterpreisen, ein Festivalpackage gibt 20 Prozent Rabatt ab vier verschiedenen Vorstellungen. Der Vorverkauf startet am 25. September über die Theaterkasse und die experimenta. Wer sich für die gesellschaftlichen Dimensionen der KI interessiert, sollte sich die Novembertage vormerken. Denn während überall über KI-Anwendungen diskutiert wird, geht es hier um die großen Fragen – mit den Mitteln des Theaters.

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