Wie umgehen mit einer Technologie, die Gefühle weckt: Der Künstler Alexander Iskin und der Philosoph Hartmut Wilke stellen in der Ecole 42 ihre KI-basierte Professorin vor – noch steckt die Erfindung in den Kinderschuhen.
Von Claudia Ihlefeld, Foto: Mario Berger
“Es muss etwas ins Blickfeld kommen, bevor es da ist.” Wer das gesagt hat? Joseph Beuys, der nicht nur für Filzanzüge und Fettecken bekannte Künstler. Aktionen wie “Wie man dem toten Hasen die Kunst erklärt” sind legendär und haben Alexander Iskin inspiriert.
Der Künstler aus Berlin, geboren in Moskau, hat seine eigene Kunstrichtung ausgerufen – den Interrealismus. Dabei stand der heute 33-Jährige kurz vor einer Tischtennis-Profikarriere und einst gemeinsam mit Dimitrij Ovtcharov an der Platte. Diesen Sonntag wird Iskin live zu “Bilder einer Ausstellung” von Modest Mussorgsky in Hamburg malen, während das Ensemble Mini musiziert.
Eine Maschine, die an ein Kaninchen erinnert
Zuvor hat Iskin gemeinsam mit Hartmut Wilke am Donnerstag in Heilbronn in der Ecole 42 Professor Coffeemachine vorgestellt. Eine Maschine auf vier Rädern mit integrierter Stimme und Kamera, die an ein Kaninchen (Beuys!) erinnert, aber auch an ein rosa Schweinchen, mit einer altmodisch anmutenden Kaffeemaschine – ungeeignet für Kapseln oder Pads. Professor Coffemachine, übrigens eine Frau, das heißt, ausgestattet mit einer weiblichen Stimme, ist ihr “Baby”, betonen Iskin und Wilke.
Die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen. Ziel ist es, aus Professor Coffemachine eine autonome Kunstprofessorin zu machen mit Urteilsvermögen. Schon einmal, beim KI-Festival in Heilbronn, haben sie ihr Konstrukt vorgestellt, das seither sukzessive weiterentwickelt wird von einer Truppe Mitarbeiter. Bewegt spricht Wilke von “family” und davon, dass die Grenzen dieser “family” fluide sind. Eine moderne Patchworkfamilie.
Noch befindet sich die Erfindung in der Pubertät
Im Forum der Ecole 42 Heilbronn, links geht es zu den Programmierplätzen der Studenten, lassen der Künstler Iskin und der Kognitionswissenschaftler Wilke die “Geburt der Professorin Kaffeemaschine” im Mönchehaus Museum Goslar Revue passieren. Jetzt befindet sich ihre Erfindung in der Pubertät. Dafür brabbelt sie noch recht unbeholfen. Die Umstehenden grinsen, “She is so excited”, grinst Alexander Iskin nicht minder. Es sei das erste Mal, dass sie in so einer Runde auftritt.
Dann kommen sie zum Kern dieser in Englisch gehaltenen Lecture: zum Gespräch mit Matthia Löbke, Ausstellungsleiterin des Kunstvereins Heilbronn. Und der Frage, wie umgehen mit einer Technologie, die Gefühle weckt. Aber weckt sie Gefühle, diese Maschine, von der die Kunsthistorikerin Löbke im Moment nicht fürchten muss, dass sie in Konkurrenz mit ihr tritt?
Ihr Fachurteil hängt auch ab vom Kaffeepegel
Löbke fragt nach dem Verhältnis von Form und Inhalt der Maschine, nach welchen Kriterien sie, wenn “sie groß ist”, Kunst betrachten und mit welchem Wissen sie gefüttert wird. Professor Coffeemachine wird nicht nur mit Bildern konfrontiert – ihre “family” wird Ausstellungen mit ihr besuchen -, sondern auch mit “a lot of data”. Zudem korreliert ihr Fachurteil mit ihrem Kaffeepegel.
Iskin betrachtet Professor Coffeemachine als Kunstobjekt. So wie er in seiner künstlerischen Arbeit die wechselseitige Beziehung zwischen digitalen und analogen Prozessen thematisiert und, dass Kunst gesellschaftliche Zustände erfasst, die erst in Zukunft relevant werden.
Skepsis und fortschrittstrunkene Euphorie
Wer sich mit Iskin unterhält, spürt eine Skepsis gegenüber einer Künstlichen Intelligenz, die bis auf das Wissen einer Elite das Wissen des Gros der Menschen überflüssig macht. Aus Wilke indes sprudelt die fortschrittstrunkene Euphorie.
Mit freundlicher Genehmigung der Stimme Mediengruppe & der Heilronner Stimme