Von Robert Mucha, Foto: Stadt Heilbronn
Die Neckarstadt plant eine Seilbahn über dem Fluss. Ein Besuch im Urban Innovation Hub zeigt, wie Heilbronn seine Mobilitätsrevolution von unten denkt und die Verbindung zwischen KI-Campus, Bildungszentren und Innenstadt neu definieren will.
Die Zukunft der Mobilität in Heilbronn hängt buchstäblich in der Luft. Vom Dach der experimenta, vorbei am Bildungscampus West, über den Zukunftspark Wohlgelegen und Neckargartach bis zum Künstlichen-Intelligenz-Park Ipai: Auf einer knapp fünf Kilometer langen Strecke sollen sich künftig Gondeln durch die Luft bewegen, jeweils mit Platz für zehn Personen. 1.500 Fahrgäste pro Stunde, 14 Minuten Fahrzeit.
Es klingt wie eine futuristische Vision, doch für Baubürgermeister Andreas Ringle ist es ein ernsthaftes Infrastrukturprojekt. „Der Ipai wird enorme Auswirkungen auf Heilbronn haben“, erklärt er bei der Eröffnung der neuen Themenwelt „Mobilität von Morgen“ im Urban Innovation Hub. „Wir müssen aufpassen, dass dort nicht eine eigene kleine Stadt entsteht“, so Ringle laut Heilbronner Stimme.
Die Pläne für die Seilbahn sind keine abgehobene Spinnerei – sie sind vielmehr Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels, der Heilbronn erfasst hat. Eine Stadt, die sich vom Industriestandort zur Wissensstadt entwickelt, braucht neue Wege, um ihre urbanen Zentren zu verbinden. Besonders pikant: Ausgerechnet die Stadt, die sich anschickt, zu einem europäischen Zentrum für Künstliche Intelligenz zu werden, hat keinen ICE-Anschluss.
„Das moderne Leben, wie viele es heute kennen, ist ohne Mobilität nicht mehr denkbar“, sagt Bernd Bienzeisler, Leiter des Fraunhofer-Zentrums für Kognitive Dienstleistungssysteme in Heilbronn und Vorstandsmitglied des Vereins Wissensstadt Heilbronn, gegenüber der Heilbronner Stimme. Er beobachtet bei seinem Sohn ein Mobilitätsverhalten, das für die jüngere Generation typisch sei: Über Silvester in New York, ein Besuch in Nizza oder bei der Freundin in Oslo. Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit werden bei dieser Art von Mobilität zu zentralen Herausforderungen, betont Bienzeisler.
Im Urban Innovation Hub in der Sülmerstraße, einem ehemaligen Ladengeschäft mitten in der Innenstadt, werden solche Fragen seit zwei Jahren diskutiert. Der Raum für Innovation, Forschung und Austausch hat sich mittlerweile fest etabliert: Mehr als 3.000 Besucherinnen und Besucher, 145 Veranstaltungen mit 2.100 Teilnehmenden und etwa 20 unterstützte Unternehmen – die Bilanz kann sich sehen lassen.
Nach einer ersten Themenwelt zur Belebung der Innenstädte richtet sich der Blick nun auf die „Mobilität von morgen“. Zwischen interaktiven Stationen und innovativen Exponaten wird deutlich, vor welchen Herausforderungen Städte wie Heilbronn stehen: Die Zahl der Pkw pro Person steigt, während der Parkraum begrenzt bleibt – mit erheblichen Folgen für Lebensqualität, Klima und Gesundheit.
„Die Mobilität von morgen muss nachhaltiger, flexibler und effizienter gestaltet werden – vor allem im urbanen Raum“, fasst Lena Ahner, Projektleiterin des Innovationslabors, in der Heilbronner Stimme zusammen. Alternative Ansätze wie Shared Mobility – sei es per Fahrrad, E-Scooter oder Carsharing – gewinnen an Bedeutung, ebenso wie das autonome Fahren.
Heilbronn erscheint dabei als idealer Ort, um neue Mobilitätskonzepte zu erproben. Die Hochschule Heilbronn forscht am Tech-Campus in Sontheim bereits zum autonomen Fahren. Und im entstehenden KI-Park Ipai will sich das belgische Chipforschungsinstitut Imec niederlassen, um an innovativen Autochips zu arbeiten.
Neben der Seilbahn, die bereits bundesweit für Schlagzeilen sorgte, werden an der Hochschule sogar Flugtaxis erforscht – Visionen oder bald Realität in Heilbronn? Die Stadt jedenfalls denkt ihre Mobilitätszukunft nicht nur am Boden, sondern zunehmend in der dritten Dimension.
Besonders für Studierende seien attraktive Mobilitätslösungen wichtig, betont Baubürgermeister Ringle: Sie könnten Heilbronn als Lebens- und Studienort noch attraktiver machen, wie er in der Heilbronner Stimme zitiert wird. In einer Stadt, die sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Hochschulstandort entwickelt hat, mit dem Campus der TU München, der Hochschule Heilbronn und weiteren Bildungseinrichtungen, geht es nicht nur um die Frage, wie man von A nach B kommt, sondern auch darum, wie man Wissensquartiere miteinander verbindet.
Das Urban Innovation Hub – donnerstags und freitags zwischen 14 und 18 Uhr geöffnet, samstags zwischen 11 und 16 Uhr – bietet einen niedrigschwelligen Zugang zu diesen Zukunftsfragen. Es ist ein Ort, an dem Bürgerinnen und Bürger, Wissenschaft und Wirtschaft ins Gespräch kommen. Ein Laboratorium für eine Stadt, die den Wandel nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gestaltet.
Ob die Seilbahn tatsächlich gebaut wird, ob Flugtaxis einmal über Heilbronn kreisen werden – das steht noch in den Sternen. Aber die Richtung ist klar: Die Zukunft der Mobilität in Heilbronn wird anders aussehen als ihre Vergangenheit. Und sie könnte durchaus über dem Neckar schweben.