Von Robert Mucha, Foto: DeepTechHub Podcast
Im ehemaligen Industriestandort Heilbronn entstehen spannende KI-Startups, eine internationale Community und ein Ökosystem, das vom Campus bis zum Taco Tuesday reicht. Der DeepTechHub Podcast sprach mit den Machern vor Ort.
Im 35-Minuten-Gespräch des DeepTechHub Podcasts, das die KI Garage Heidelberg kürzlich veröffentlichte, klingt es so, als würde man über Barcelona oder Boston sprechen – dabei geht es um Heilbronn. Die Stadt, einst vor allem für Industrie und Handel bekannt, hat sich in rasantem Tempo zu einem Zentrum für Künstliche Intelligenz und Startups entwickelt. Podcaster Jassu Chuck lud zwei Experten ein, die diesen Wandel mitgestalten und erleben: Patrick Burkert, Head of Startups und Director Adventures bei den Campus Founders, und Lorenz Kopp, Gründer des KI-Startups NextStepHR.
Mehr als ein Prestigeprojekt
„In Heilbronn passiert einiges“, erklärt Patrick Burkert gleich zu Beginn des Gesprächs. Was vor fünf Jahren mit einzelnen Initiativen begann, ist heute ein regelrechtes Ökosystem, das Bildung, Forschung und Entrepreneurship vereint. Die Campus Founders – ein gemeinnütziges Projekt – sind dabei für den Startup-Teil zuständig: Sie bilden Gründer aus, begleiten sie mit Programmen und unterstützen sie bis hin zur Frühphasen-Finanzierung.
Dass hinter diesem Wandel die Dieter Schwarz Stiftung steht, ist kein Geheimnis. Doch wer glaubt, hier werde nur Geld in ein Prestige-Projekt gepumpt, unterschätzt die Wirkung des Heilbronner Modells. „Ich finde es grandios, was ein Dieter Schwarz macht“, sagt Burkert im Podcast. „Viele andere mit so einem Erfolg entscheiden sich, in der Rakete zum Mars zu fliegen – ein Dieter Schwarz investiert in Unternehmertum, Bildung und Wissenschaft.“
Eine Frage der Dichte
Was macht das Heilbronner Ökosystem besonders? „Die Dichte“, antwortet Burkert ohne zu zögern. „In Heilbronn passiert vieles auf Augenhöhe, die Wege sind kurz, alle Akteure blicken gemeinsam nach vorne.“ Es gibt kein historisches Erbe, keinen politischen Ballast, sondern ein gemeinsames Ziel.
Diese Dichte spürt auch Lorenz Kopp. Sein KI-Startup NextStepHR, das mit Machine Learning die Effizienz von Stellenausschreibungen optimiert, kam über das AI Founders-Programm nach Heilbronn – und blieb. „Ich hatte davor wirklich nichts mit Heilbronn zu tun“, gesteht Kopp. „Wahrscheinlich war ich auch noch nie davor in Heilbronn.“
Im Programm erhielten die Teilnehmer neben Mentoring und Netzwerkzugang auch eine Unterkunft. Drei Monate lang lebten sie in Heilbronn, arbeiteten im Campus und lernten das Ökosystem kennen. „Für uns ist immer wichtig gewesen, einen Punkt zu haben, wo wir uns immer treffen, und das hat uns in den drei Monaten extrem gezeigt, dass wir in diesem Campus uns immer treffen können, wir können uns immer mit anderen Startups dort austauschen, und das hat uns super schnell vorangebracht.“
Die „Startup-WG“ als Erfolgsrezept
Eines der Erfolgsrezepte scheint das „Coliving“ zu sein – eine Art Startup-WG im Rosenberg Quartier, in der die Teams gemeinsam leben. „Wir können Teams aus der ganzen Welt hierher holen“, erklärt Burkert. „Die dann bei uns in Heilbronn tatsächlich auch wohnen, gemeinsam mit allen Gründern in derselben Riesen-WG.“
Was nach Studentenleben klingt, schafft einen entscheidenden Mehrwert für die Startups: Sie lernen sich persönlich kennen. „Um sich wirklich persönlich kennenzulernen, braucht man diese Abwechslung“, sagt Kopp. „Ob wir zusammen Padel spielen gehen oder uns einmal in der Woche verabreden, um ins Restaurant zu gehen – da entstehen immer wieder neue Ideen.“
Keine Insel der Glückseligen
Trotz aller Euphorie – Heilbronn ist keine Insel der Startups in einem Meer aus traditioneller Industrie. Es ist eingebettet in das KI-Ökosystem Baden-Württembergs. Die Programme sind teilweise vom Land gefördert, etwa durch Start-up BW. Und die Zusammenarbeit mit anderen Ökosystemen wie Karlsruhe, Tübingen oder Heidelberg funktioniert.
„Wir sind da überhaupt nicht eitel“, betont Burkert. „Wenn es ein Thema gibt, das irgendwo in ein anderes Ökosystem besser passt, dann schicken wir da die Startups hin.“ Auch Kopp berichtet, dass seine Entscheidung für Heilbronn in Karlsruhe – wo NextStepHR zuvor ansässig war – positiv aufgenommen wurde: „Es war eher so unterstützend: ‚Cool, lass uns doch vielleicht auch die Ökosysteme miteinander kombinieren.'“
KI-Talentmagnet mit Strahlkraft
Die Erfolge sprechen für sich: Im letzten Startup-Ranking landete Heilbronn auf Platz 2 der deutschen Standorte, gemessen an der Zahl der Startups pro 100.000 Einwohner. Nur Heidelberg liegt noch vor der Stadt am Neckar.
Das Erfolgsrezept ist nicht nur Kapital, sondern die Kombination aus Mitteln und Vision: „In Heilbronn treffen Wille auf Kapital“, formuliert es Burkert. „Oftmals hat man ja irgendwo einen Willen und dann nicht das Kapital, um was umzusetzen, oder vielleicht Kapital, aber dann keinen Willen.“
Nach nur fünf Jahren zeigen sich bereits messbare Erfolge, und für Burkert ist das „tatsächlich nur der Anfang“. Mit der Technischen Universität München, der ETH Zürich und zahlreichen Forschungseinrichtungen wie dem IPAI (Innovationspark Artificial Intelligence) wächst das Netzwerk weiter.
Die Zukunft: Wachstum und Tiefe
Auch NextStepHR will wachsen – und in Heilbronn bleiben. „Wir gehen jetzt in die Skalierung“, erklärt Kopp. Sein Unternehmen will die Firmen unterstützen, die sich neu in Heilbronn ansiedeln und qualifiziertes Personal suchen.
Auf die kritische Frage, ob Heilbronn nur eine KI-Blase sei, die bald platzt, reagiert Burkert gelassen. In einer Blitzfragenrunde gibt er zu, dass die Gefahr besteht, dass der KI-Hype in Heilbronn schneller abflacht als erwartet. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass Heilbronn auch ohne die Dieter Schwarz Stiftung eine realistische Chance hätte, sich als KI-Hub zu behaupten.
Für Startups wie das von Lorenz Kopp war jedenfalls nicht die Förderung entscheidend, sondern die Community: „Wir haben jetzt keinerlei Möglichkeiten davon genutzt, aber sind trotzdem nach Heilbronn gekommen, weil wir gemerkt haben: Dieses Ökosystem ist stark, da baut sich gerade viel auf. Heilbronn entwickelt sich einfach auch als Stadt.“
Beim Blick auf die wachsende Zahl an Accelerator-Programmen mahnt Kopp allerdings zur Vorsicht: „Viel zu viele Startups hüpfen von Programm zu Programm.“ Wichtiger sei es, sich zu fokussieren und die Zeit fürs eigene Produkt zu nutzen.
Am Ende scheint klar: In Heilbronn entsteht ein KI-Ökosystem mit internationaler Strahlkraft und schwäbischem Pragmatismus. Oder wie Burkert es formuliert: „It takes a village to raise a child – and it takes an ecosystem to raise a startup.“
Die vollständige Folge des DeepTechHub Podcasts mit Patrick Burkert und Lorenz Kopp ist auf Spotify und YouTube verfügbar.