Grünes Licht aus Vilnius: Heilbronn wird Europas Umwelthauptstadt

Von Redaktion, Foto: Stadt Heilbronn

Die Stadt hat es im zweiten Anlauf geschafft – 2027 steht Heilbronn im Mittelpunkt der europäischen Nachhaltigkeitsdebatte

Der kleine Pokal, den die Heilbronner Delegation am Samstagmorgen stolz präsentierte, wiegt schwerer als er aussieht. „European Green Capital 2027“ steht darauf – und damit eine Verpflichtung, die weit über Symbolpolitik hinausgeht. Am Donnerstag hatte die Europäische Kommission in Vilnius entschieden: Heilbronn schlägt Klagenfurt und Debrecen. Die Stadt am Neckar wird 2027 zur Bühne für Europas Nachhaltigkeitsdebatte.

„Diese Auszeichnung ist ein Meilenstein für Heilbronn“, sagte Oberbürgermeister Harry Mergel laut Pressemitteilung der Stadt. Aber er warnte auch gleich: Man könne sich darauf nicht ausruhen. „Der Preis ist zugleich Auszeichnung und Ansporn, den eingeschlagenen Kurs mit voller Kraft fortzusetzen.“

600.000 Euro Preisgeld gibt es dazu – was nach viel klingt, aber nur einen Bruchteil der Kosten decken wird. Umweltbürgermeister Andreas Ringle verwies laut SWR auf die Stadt Essen, die 2017 den Titel trug: 75 Prozent der Gelder kamen dort aus Förderungen. Heilbronn hofft auf ähnliche Unterstützung von Bund und Land.

Was die Jury überzeugte, liest sich wie eine Checkliste moderner Stadtentwicklung: Spitzenwerte bei Luftqualität, Wassermanagement und Lärmschutz. Ein Klimaschutzkonzept, das städtische Einrichtungen bis 2035 klimaneutral machen soll. Die Waldheide, vom Raketenstandort zum Erholungsgebiet verwandelt. Der Neckarbogen als neues Wohnquartier. Und immer wieder: Bürgerbeteiligung, von urbanen Gartenprojekten bis zu innovativen Mobilitätslösungen.

Julia Hufnagel, Leiterin des kommunalen Nachhaltigkeitsbüros, skizzierte am Samstag, was 2027 auf Heilbronn zukommt: „Bekannte und neue Veranstaltungen, Kooperationen im Bereich Bildung, Wettbewerb, Ausstellungen und natürlich auch EU-Events“, fasste sie laut SWR zusammen. Im Oktober 2027 findet das Finale des nächsten Awards in Heilbronn statt. Die Stadt wird zum Treffpunkt für Delegationen aus ganz Europa.

Dabei geht es um mehr als nur Prestige. „Man wolle auch für hochkarätige Fachkräfte attraktiv sein, blicke man zum Beispiel auf den entstehenden KI-Innovationspark“, wird Hufnagel vom SWR zitiert. Tatsächlich passt die Auszeichnung perfekt zur Entwicklung der Wissensstadt: Während am IPAI an künstlicher Intelligenz geforscht wird, die experimenta Quantenphysik erlebbar macht und die DHBW neue Studiengänge wie „Personalisierte Ernährung“ startet, zeigt die Stadt: Innovation und Nachhaltigkeit gehören zusammen.

Der Weg dahin war nicht selbstverständlich. Beim ersten Versuch 2024 unterlag Heilbronn der portugiesischen Stadt Guimarães. „Wir haben ehrgeizige Ziele, bis 2035 wollen wir klimaneutral sein“, sagte Mergel dem SWR schon vor der Entscheidung. Die erneute Bewerbung sei auch ein Signal an die Bürger gewesen – das Thema Nachhaltigkeit soll im Bewusstsein verankert werden.

Die geplante Umgestaltung von Turmstraße und Zehentgasse zeigt: Der Blick geht nach vorne. Die BUGA 2019 mag in die Bewertung eingeflossen sein, aber die Jury interessierte vor allem die Zukunft. „Es geht nicht nur darum, wer die grünste Stadt in Europa ist, sondern wer ein besonders gutes Konzept hat, grün zu werden“, erklärte der SWR den Wettbewerb.

In der Riege der bisherigen Gewinner – Stockholm, Hamburg, Essen, Oslo, Lissabon – wirkt Heilbronn fast wie ein Außenseiter. Aber vielleicht ist genau das die Stärke: Eine Stadt, die lange für Salz, Sekt und Industriegeschichte stand, erfindet sich neu. Nicht mit großen Gesten, sondern mit konkreten Projekten. Mit einer Hochschule, die beim Stadtradeln 16.000 Kilometer sammelt. Mit einem Science Center, das KI und Theater zusammenbringt. Mit Unternehmen, die ihre Azubis und dualen Studenten von Anfang an einbinden.

„Dass wir nun als European Green Capital 2027 ausgezeichnet wurden, verdanken wir dem Mut, der Tatkraft und der Leidenschaft vieler Menschen in unserer Stadt“, betonte Mergel in der städtischen Mitteilung. „Das ist unser gemeinsamer Erfolg.“

2027 wird zeigen, ob Heilbronn die Erwartungen erfüllen kann. Die Stadt muss beweisen, dass Nachhaltigkeit mehr ist als ein Marketingbegriff. Dass eine mittelgroße Stadt in Baden-Württemberg tatsächlich Vorbild für Europa sein kann. Der kleine Pokal ist erst der Anfang. Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt.

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