Von Robert Mucha, Foto: experimenta
Eine schwimmende Wunderkammer aus Heilbronn macht sich auf den Weg durch vier Bundesländer. Mit an Bord: 20 Mitmach-Stationen, ein aufblasbares Planetarium und die Hoffnung, dass sich Erkenntnis nicht nur in klimatisierten Hörsälen entfaltet, sondern auch an Flusspromenaden zwischen Neckar und Main.
Wer in diesen Tagen in Heilbronn den Blick zum Neckar richtet, kann ein ungewöhnliches Schauspiel beobachten: Die MS experimenta bereitet sich auf ihre Reise vor. Bald schon wird das Schiff ablegen und wie ein Bote der Wissenschaft von Ufer zu Ufer ziehen, um an 21 verschiedenen Stationen vor Anker zu gehen. Neckar, Rhein, Main, Main-Donau-Kanal, Donau – die Wasserstraßenkarte Süddeutschlands dient als Routenplaner für diese besondere Mission.
Es ist bereits die sechste große Tour des Schiffes, das seit 2018 als Botschafterin der Heilbronner experimenta unterwegs ist. Was ursprünglich als Ausweichquartier während der Bauarbeiten am Hauptgebäude des Science Centers begann, hat sich längst zum eigenständigen Erfolgsmodell entwickelt. In den vergangenen fünf Jahren hat die MS experimenta an mehr als 80 Stationen in Deutschland festgemacht und Wissen auf Wasserwegen transportiert.
Die erste Station in diesem Jahr ist Collenberg in Unterfranken – dort wird die experimenta-Crew vom 28. Mai bis zum 1. Juni Besucher willkommen heißen. Danach folgt Offenbach (5. bis 9. Juni), bevor es weiter durch die Flusslandschaften Süddeutschlands geht, mit Schwerpunkt Bayern – 14 der 21 Stationen liegen im Freistaat.
Was die Besucher an Bord erwartet, ist mehr als nur eine Ausstellung. Es ist eine Art komprimierte Version des Heilbronner Mutterhauses: Rund 20 Mitmach-Stationen laden zum interaktiven Erleben ein, dazu kommen Workshop- und Bastelangebote sowie ein Mini Dome – eine aufblasbare 360-Grad-Projektionskuppel, die einen Vorgeschmack auf den imposanten Science Dome in Heilbronn bietet.
Die Ausstellung selbst ist in zwei Bereiche gegliedert: In „Du bist Wissenschaft“ erfahren die Besucher Erstaunliches über den menschlichen Körper, seine Entwicklung und Fähigkeiten – vom Denken bis zum Altern. Der Teil „Du schaffst Wissen“ dagegen stellt die eigenen Fertigkeiten in den Mittelpunkt und lädt zum Experimentieren ein.
Ein besonderer Höhepunkt der diesjährigen Tour wird das KI-Festival in Heilbronn sein, das am 19. und 20. Juli stattfindet. An diesen beiden Tagen können Interessierte ohne vorherige Buchung an Bord kommen und ein spezielles Programm rund um Künstliche Intelligenz erleben – mit Workshops und Vorträgen, die das derzeit wohl heißeste Wissenschaftsthema greifbar machen sollen.
Was die MS experimenta von anderen Ausstellungsschiffen unterscheidet, ist nicht nur ihr Konzept, sondern auch ihr Antrieb: Seit diesem Jahr läuft das Schiff mit dem klimafreundlichen Kraftstoff HVO100, der zu 100 Prozent aus Abfallfetten wie gebrauchtem Speiseöl und Resten aus der Pflanzenölverarbeitung besteht. Im Vergleich zu herkömmlichem Schiffsdiesel werden so bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen eingespart und der Feinstaubausstoß um ein Drittel reduziert – Wissenschaftsvermittlung, die ihre eigenen Erkenntnisse ernst nimmt.
Der Eintritt an Bord kostet 2 Euro pro Person, was in Zeiten, in denen selbst ein Glas Wasser in Museen oft mehr kostet, fast wie ein symbolischer Betrag wirkt. Das Angebot richtet sich vor allem an Familien mit Kindern zwischen vier und zwölf Jahren. Geöffnet ist das Schiff täglich von 10 bis 12 Uhr sowie von 13 bis 17 Uhr, wobei der Vormittag an Schultagen für Klassen reserviert ist. Eine Anmeldung für ein zweistündiges Zeitfenster ist im Vorfeld auf der Website erforderlich.
Die letzte Station der Tour führt die MS experimenta nach Hessen: In Rüsselsheim wird das Schiff vom 7. bis zum 11. November vor Anker liegen, bevor es wieder nach Heilbronn zurückkehrt – mit Erfahrungen und Geschichten im Gepäck, die das Science Center vielleicht so sehr bereichern, wie das Schiff die Orte bereichert, an denen es Halt macht.
Was bleibt, ist ein bemerkenswertes Bild: Während Wissenschaft oft als etwas Statisches, in Institutsgebäuden Festgezurrtes wahrgenommen wird, setzt die experimenta auf Bewegung. Ein schwimmendes Labor, das durch die Flusslandschaften zieht und an den Ufern anlegt, wo Menschen leben, die vielleicht nie den Weg in ein Science Center finden würden. Wissenschaft, die ihren Elfenbeinturm verlässt und stattdessen auf die Brücke eines Schiffes steigt – ein Konzept, das dem Wasserweg, auf dem es sich bewegt, in nichts nachsteht: fließend, verbindend und immer in Bewegung.