Von Robert Mucha, Foto: experimenta
In Heilbronns gläsernem Wissenschaftstempel lässt eine 18-Jährige die Zeit zwischen Schule und Studium nicht einfach vergehen – sie gestaltet mit, forscht und entdeckt eine Welt, in der Neugier zum Lebensprinzip wird.
Zwischen all den Schaltern, Hebeln und blinkenden Lichtern der experimenta steht Eleena Knapp und lächelt. Eine schmale Gestalt vor dem imposanten Bau am Neckarufer, der zum Wahrzeichen einer Stadt geworden ist, die sich vom klassischen Industriestandort zur Wissensmetropole wandelt. Eleena ist 18, hat gerade ihr Abitur in der Tasche und könnte jetzt eigentlich an irgendeiner Universität im Land sitzen und Vorlesungen besuchen. Tut sie aber nicht.
„Ich bin immer gerne hier. Das FJN ist für mich ein super Übergang“, sagt sie über ihr Freiwilliges Jahr in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit – kurz FJN – bei der experimenta. Direkt nach dem Abitur an die Universität zu gehen, das kam für sie nicht infrage. „Das wäre für mich zu sportlich gewesen. Ich wollte lieber erst andere Erfahrungen sammeln und mich orientieren.“
Man könnte es sich einfach machen und sagen: Ein klassisches Gap Year eben, dieser Trennstrich zwischen Jugend und Erwachsensein, den immer mehr junge Menschen ziehen. Aber bei Eleena ist es mehr als das. In der experimenta, diesem Science Center, das zu den größten seiner Art in Deutschland zählt, sammelt sie nicht nur Erfahrungen – sie forscht selbst.
Das Jugendforschungszentrum (JFZ) der experimenta ist ihr Arbeitsbereich. Hier herrscht eine Atmosphäre, die irgendwo zwischen strukturiertem Schulalltag und völliger akademischer Freiheit angesiedelt ist. „Es ist eine gute Balance aus Vorgaben und Freiheit“, beschreibt Eleena ihren Alltag. An manchen Tagen betreut sie Kinder beim experiCamp, einem Ferienangebot der experimenta. Ein solcher Tag brachte ihr eine besondere Erinnerung: „Es war wirklich ein wunderschöner Geburtstag“, erinnert sie sich lächelnd an den Moment, als die Kinder sie morgens mit einem Ständchen überraschten.
An anderen Tagen hilft sie bei der Vorbereitung des Roboterwettbewerbs First Lego League, bei dem Kinder und Jugendliche ihre ersten Schritte in der Robotik und Programmierung machen. Die Rolle der Eleenas dieser Welt ist dabei nicht zu unterschätzen: Sie stehen zwischen den Kindern und der manchmal komplexen Technik, übersetzen, vereinfachen, machen Mut.
Doch das Herzstück ihrer Arbeit liegt woanders: In ihrem eigenen Forschungsprojekt verfolgt Eleena eine Idee, die angesichts der globalen Klimakrise immer relevanter wird. Sie untersucht, wie Wüstensand als Baustoff verwendet werden kann, um eine Alternative zu herkömmlichem Beton zu entwickeln. Eine Frage, die auf den ersten Blick simpel erscheint: Warum nicht einfach den reichlich vorhandenen Wüstensand für die Betonherstellung nutzen? Die Antwort: Wüstensand hat eine andere Struktur als der für Beton benötigte Sand. Die Körner sind zu rund, zu glatt, zu fein.
In einer Welt, in der der Bauboom in Asien und anderswo bereits zu illegalem Sandabbau in sensiblen Ökosystemen führt, könnte eine solche Forschung – selbst wenn sie „nur“ von einer 18-jährigen Freiwilligen durchgeführt wird – durchaus relevante Erkenntnisse liefern.
Noch bis Ende August geht Eleenas Jahr in der experimenta, danach will sie Geowissenschaften studieren. Eine logische Fortsetzung ihres Interesses an Baustoffen und der Struktur unseres Planeten. Dann wird die nächste Generation von Freiwilligen kommen, neue Ideen mitbringen, neue Forschungsprojekte angehen.
Die experimenta ist weit mehr als ein Science Center mit beeindruckenden Ausstellungen und einem futuristischen Gebäude. Sie ist ein Ort, an dem junge Menschen wie Eleena einen Raum finden, um zu experimentieren – mit Wüstensand ebenso wie mit ihren beruflichen Perspektiven. In einer Stadt, die sich der Bildung und dem Wissen verschrieben hat, ist sie zu einem Ort geworden, der die Brücke schlägt zwischen spielerischem Entdecken und ernsthafter Forschung.
Wer sich für ein solches Freiwilliges Jahr interessiert: Die experimenta sucht regelmäßig neue Gesichter. Der Weg zu einer Bewerbung führt über die Website des Science Centers, wo offene FJN-Stellen ausgeschrieben werden – eine Chance für alle, die nach dem Schulabschluss nicht sofort ins nächste Klassenzimmer wechseln wollen, sondern erst einmal die Welt der Wissenschaft von einer anderen Seite kennenlernen möchten.