Das 250-Euro-Wunder: Wie ein altes Kaufhaus zum Zuhause für die digitale Elite wird

Von Robert Mucha, Foto: Robert Mucha/Ideogram

Wo einst Verwaltungsangestellte über Verkaufszahlen brüteten, leben jetzt die Programmierer von morgen. Im Heilbronner Wollhaus entsteht ein ungewöhnliches Experiment: Studentisches Wohnen zu Preisen, die niemand für möglich hielt – und die zeigen, wie Innovation auch beim Wohnen funktionieren kann.

Als Silvestri Ndoj zum ersten Mal die Zahl hörte, dachte er an einen Druckfehler: 250 Euro für ein Doppelzimmer, mitten in Heilbronn. „Das ist eine einmalige Chance“, sagt der Student der Programmierschule 42 der Heilbronner Stimme. Der junge Mann aus Albanien, der zuvor 350 Euro für ein Zimmer in Horkheim zahlte, wurde zum Pionier: Er bezog als Erster das Zimmer 1.1 im umgebauten Verwaltungstrakt des Wollhauses.

Das Projekt klingt fast wie eine dieser Silicon-Valley-Erfolgsgeschichten – und tatsächlich hat Thomas Bornheim, Chef der Programmierschule 42, bei Google in den USA gearbeitet. Er kennt die Mythen von Unternehmen, die in Garagen begannen. Gegenüber der Heilbronner Stimme erklärt er: „Wir alle haben klein angefangen.“

Die Geschichte des Wollhaus-Wohnheims begann mit einem zufälligen Treffen. Als Bornheim die leeren Verwaltungsflächen sah, hatte er sofort eine Vision. Anfang 2024 stieß er die Idee an, Ende des Jahres zogen die ersten Studenten ein. Eine Geschwindigkeit, die in Zeiten explodierender Mieten – der durchschnittliche WG-Preis in Heilbronn liegt bei 450 Euro – fast surreal wirkt.

„Es ist sehr schön hier“, schwärmt Emil-Daniel Tӑlmaciu aus Rumänien im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. „Es ist der perfekte Ort, wohin man gehen kann.“ In sechs „Units“ genannten Wohneinheiten finden zwischen 14 und 42 Studierende Platz. Wer sich ein Zimmer mit bis zu acht Personen teilt, zahlt sogar nur 190 Euro.

Natürlich gibt es sie noch, die Spuren der Vergangenheit: hellblaue Duschtrennwände wie aus einem Schwimmbad der 70er Jahre. Aber die Gemeinschaftsräume sind modern und durchdacht, sogar Spülmaschinen gehören zur Ausstattung.

„Solche Orte schaffen etwas, bringen die Menschen zusammen“, erklärt Bornheim der Heilbronner Stimme. Seine Vision geht über günstiges Wohnen hinaus. „Erst wenn es all das gibt“, sagt er, „ist man wirklich eine Universitätsstadt. Dazu gehört auch Leben.“

Noch ist das Projekt als Übergangslösung gedacht, bis das Wollhaus umgebaut wird. Aber es könnte Schule machen: In einer Stadt, wo die Durchschnittsmiete für WG-Zimmer seit 2019 von 370 auf 450 Euro gestiegen ist, zeigt es neue Wege auf. „Es darf nicht am Geld scheitern“, sagt Bornheim – ein Satz, der in Zeiten der Wohnungskrise fast revolutionär klingt.

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