Von Robert Mucha, Foto: Nationales Forum Frühe Bildung
Ein Spiegelsaal der gesellschaftlichen Chancen: Im Sommer 2025 versammeln sich auf dem Heilbronner Bildungscampus 80 Experten, um zu diskutieren, wie Kitas der Tatsache gerecht werden können, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland ist.
Es sind alarmierende Zahlen, die das Statistische Bundesamt präsentiert: In Deutschland besuchen nur 22,3 Prozent aller Kinder mit Migrationshintergrund im Alter von 0-3 Jahren eine Kita. Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund sind es mit 44,5 Prozent doppelt so viele. Auch in der Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen klafft die Schere mit 76,8 zu 99,3 Prozent weit auseinander – und ist in den letzten Jahren sogar größer geworden.
Diese Entwicklung ist besorgniserregend, denn gerade für Kinder aus bildungsbezogenen Risikolagen ist eine frühe Förderung entscheidend. Die Kita ist neben der Familie der zentrale Ort für die Sozialisation, besonders in einer Einwanderungsgesellschaft. Hier werden die Weichen für Bildungserfolg gestellt – oder eben nicht.
Heilbronn als Ort für neue Ideen
Diesen Fragen will sich nun das erste „Nationale Forum Frühe Bildung“ widmen, das am 3. und 4. Juni 2025 auf dem Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung in Heilbronn stattfinden wird. Nach dem Vorbild des erfolgreichen Nationalen Bildungsforums schafft das neue Format einen Raum für den interdisziplinären Austausch über die entscheidenden ersten Jahre eines Kindes.
„Der Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung in Heilbronn vereint renommierte Bildungs- und Forschungseinrichtungen an einem Standort und ist mit seinem innovativen Charakter der ideale Ort für das Nationale Forum Frühe Bildung – ein Raum, in dem neue Ideen entstehen können“, heißt es im Programm der Veranstaltung.
Die Organisation übernimmt die Wider Sense TraFo gGmbH in Kooperation mit der Akademie für Innovative Bildung und Management Heilbronn-Franken (aim), die seit 2001 vielfältige Angebote für Kinder und Jugendliche entwickelt und für diejenigen, die Bildungsprozesse gestalten und unterstützen.
Kernfragen statt Konferenz-Floskeln
Anders als bei herkömmlichen Tagungen soll hier ein offener und vertraulicher Dialog jenseits üblicher Denkschemata stattfinden. Die Veranstalter Stephan Dorgerloh (Wider Sense TraFo) und Christian Rieck (aim) haben mit einem Vorbereitungskreis aus Experten ein Programm entwickelt, das sich mit zentralen Fragen beschäftigt:
- Welchen Auftrag hat die Kita in der Einwanderungsgesellschaft – und was braucht es dafür?
- Warum bestehen so große Nutzungsunterschiede bei Familien mit und ohne Migrationshintergrund – und wie kann man sie überwinden?
- Wie sieht gute Sprachförderung in der Kita aus und wie können mehrsprachig aufwachsende Kinder unterstützt werden?
- Welche Kompetenzen sind für den Übergang in die Schule wichtig?
- Welche Rahmenbedingungen, Anreizsysteme und Qualitätsstandards brauchen wir?
„Dies soll keine der üblichen Tagungen sein, sondern ein Forum des offenen und vertraulichen Gesprächs jenseits der üblichen Denkschemata“, erklären die Organisatoren im Programmheft. „Dabei wollen wir uns nicht so sehr mit den vergangenen Zeiten beschäftigen, sondern gemeinsam Lösungen für heute und morgen verabreden.“
Experten aus allen Bereichen
Zu den Referenten gehören namhafte Experten wie Prof. Dr. C. Katharina Spieß vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Prof. Dr. Jens Kaiser-Kratzmann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Prof. Dr. Katharina Kluczniok von der Freien Universität Berlin.
Auch die Perspektiven aus Verbänden und Trägern werden durch Niels Espenhorst vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, Doreen Siebernik von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Stefan Spieker von Fröbel Bildung und Erziehung sowie Mirja Wolfs vom Verband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) vertreten sein.
Die Politik bringt sich mit Ministerin Petra Grimm-Benne aus Sachsen-Anhalt und den Staatssekretären Volker Schebesta (Baden-Württemberg) und Johannes Albig (Schleswig-Holstein) ein.
Mehr als ein Debattierklub
Am Ende des Forums sollen konkrete Handlungsempfehlungen stehen. „Nach dem Modell vom Nationalen Bildungsforum werden auch hier abschließend Thesen angestrebt, die als eine Art Appell an die Politik und Gesellschaft dienen sollen“, erklärt die Wider Sense GmbH auf LinkedIn.
Der Veranstalter hat klare Ziele: Nach diesem Forum sollen 80 Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Praxis, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft miteinander in einen Dialog, in die Vernetzung gebracht worden sein. Die Einladung zum Nationalen Forum Frühe Bildung ist persönlich und nicht übertragbar.
Heilbronn festigt damit seinen Ruf als Bildungsstandort, an dem nicht nur gelehrt und geforscht wird, sondern auch über die Zukunft der Bildung nachgedacht wird – diesmal mit Fokus auf die Jüngsten und ihre Chancen in der Einwanderungsgesellschaft.